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Da geschieht Wichtiges: Power to the Bauer!

Da geschieht Wichtiges: Power to the Bauer!

Da geschieht Wichtiges: Power to the Bauer!

Eindeutiger geht es wohl kaum: Fast drei Viertel der Menschen haben laut einer T-Online-Umfrage mehr Verständnis für Protestaktionen der Bauern als für Protestaktionen der sogenannten „Letzten Generation“. Und dies, obwohl die Bauern ebenfalls für erhebliche Verkehrsbehinderungen sorgen. Eher selten treffen sie aber auf wütende Autofahrer. Die meisten haben Verständnis oder hupen oder winken ihnen sogar zustimmend zu.

BAUERN UND BÜRGER – IM GRUNDGEFÜHL VEREINT

Glauben Sie ernsthaft, dass all diese Sympathisanten sich bestens mit der Situation der Landwirte auskennen und im Detail beurteilen können, ob die Proteste berechtigt sind? Vermutlich nicht. Ich glaube das auch nicht. Trotzdem fühlen sich die meisten Menschen unseres Landes in deren Protestaktionen tief mit den Bauern verbunden.

Wegen des Agrardiesel-Unsinns? Wegen der Kfz-Steuerbefreiung für Bauern? Ach was! So wichtig beides für die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft sein mag, nicht einmal für die Bauern selbst ist das der Kern ihrer Proteste. Auffallend oft formulieren sie in Interviews, die Beschlüsse zu Agrardiesel und Kfz-Steuer seien nur „der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.

NASE GESTRICHEN VOLL

Selbst der desinteressierteste Großstädter hat schon einmal etwas vom Höfesterben und von existenzbedrohenden Nachwuchsproblemen der Landwirtschaft gehört. Und wer bitte weiß nicht, dass Landwirte und ihre Familien von freien Wochenenden, geregeltem Feierabend und entspannten Urlauben vielfach nur träumen können und zu den Berufsgruppen zählen, die besonders hart arbeiten müssen? Jeder weiß um die harten Arbeitsbedingungen der Landwirte. Sogar im Krankheitsfall müssen sie oft weiterarbeiten. Allenfalls wenige Großbetriebe stehen anders da. Unter enormem Kostendruck jedoch sind auch die.

Druck, Druck und noch mehr Druck, Regulierungswut, immer mehr einengende Vorschriften, die finanzielle Belastungen zur Folge haben, die man dann selbst ausbaden muss und irgendwann sieht man sich nur noch mit dem Rücken an der Wand stehen, verzweifelt darüber, wird wütend oder beides zugleich.

DAS ist das Gefühl, in dem sich Landwirte und Bürger gerade treffen. Nase voll! Gestrichen voll! Die Unzufriedenheit wuchs zwar bei den einen wie auch bei den anderen schon über viele Jahre heran. Die Ampel mit ihrer unfassbaren Ignoranz und Arroganz gegenüber Millionen hart arbeitender Menschen, ihrer Arbeits- und Lebensplanung, ihrem Bedürfnis nach Zukunftsvorsorge und ihrem Bedürfnis nach Berechenbarkeit setzt dem Ganzen jedoch die Krone auf. Die Bauern als gut organisierte und wirtschaftlich wichtige Gesellschaftsgruppe tragen insofern den bisher still gebliebenen Protest ganz vieler Bürger in gewisser Weise mit auf die Straße. DARUM genießen sie so viel Zustimmung. 

DER „BÖSE“ LANDWIRT

Was aber müssen sich Landwirte von der Politik, insbesondere von grüner Seite ständig anhören?  Landwirte sind Giftspritzer. Landwirte vergiften das Trinkwasser. Landwirte sind Tierquäler. Ihre Kühe, diese vierbeinigen Klimazerstörer, pupsen Methan. Landwirte sind natürlich auch verantwortlich fürs Insektensterben. Landwirte versauen Böden. Landwirte töten Vielfalt.

Starker Tobak. Zumal für eine Branche, der wir qualitativ hochwertige Lebensmittel zu im europäischen Vergleich immer noch niedrigen Preisen zu verdanken haben – trotz ständig wechselnder, immer einschnürenderer Anforderungen an die landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion. Und sind wir doch bitte einmal ehrlich: Wir als Verbraucher sind zwar jetzt zumeist solidarisch mit den Bauernprotesten, trotzdem profitieren wir vom enormen Preisdruck, dem die Bauern durch die Handelsunternehmen ausgesetzt sind, und kaufen eher gelegentlich oder manche auch gar nicht im teureren Hofladen, oder? 

NICHT ALLE SUBVENTIONEN SIND SUBVENTIONEN

Aber ach, ist die Politik nicht großzügig? EU-weit erkennt sie die Not der Landwirte, weiß, dass sie ohne umfängliche Geldgaben des Staates nicht wirtschaften können und verteilt großherzig Milliarden. Ja wirklich! „Im Zeitraum 2023 bis 2027 stehen jährlich rund 6,2 Milliarden Euro an EU-Mitteln für die Agrarförderung in Deutschland zur Verfügung.“, informiert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Nun sind Subventionen für die Landwirtschaft allerdings eine sehr spezielle, zweischneidige Angelegenheit. Ganz grob gesagt, weil eine detaillierte Beschreibung hier nicht leistbar ist: Wer zahlt, will eben auch bestimmen. Die EU und ihre Heerscharen an Bürokraten haben sehr dezidierte Vorstellungen davon, wie Landwirtschaft in Europa auszusehen hat. Ein sehr starker Gestaltungswunsch der EU bestimmt die Branche. Nicht der Landwirt als Unternehmer bestimmt, wohin die Reise geht, sondern die EU weist den Weg, den der Landwirt zu gehen hat. Die Vorgaben sind so erdrückend, dass eine Einhaltung ohne Subventionen betriebswirtschaftlich im Regelfall gar nicht machbar wäre. Die Subventionen sind also keineswegs Geschenk, sondern der Bauer erbringt eine Gegenleistung und Anpassungsleistung dafür. Hinzu kommt: Die EU hat die Landwirtschaft über viele Jahrzehnte so stark von Subventionen und Regulierungen abhängig gemacht, dass dies inzwischen längst strukturell ist. Freies Unternehmertum in wirklicher Eigenverantwortlichkeit, das ist Landwirten schon lange nicht mehr möglich.

DIESELSTEUER MUSS AUCH NOCH WEG

Freilich muss man beim Begriff der Subvention sowieso eine gewisse Vorsicht an den Tag legen. Nicht alles, was seitens der Politik gerne als solche bezeichnet wird, ist auch eine solche. Die Rückerstattung zu Unrecht gezahlter Steuern auf die Haltung und Nutzung von Traktoren zum Beispiel ist keine Subvention, sondern die simple Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes. Bei der Kfz-Steuer ist die Ampel schon zurückgerudert. Das reicht aber nicht. Es ist ein Unding, dass Landwirte nun wie alle anderen Kraftfahrzeuge Steuern auf Dieselkraftstoff zahlen sollen. Und zwar aus gleich zwei ganz einfachen und unmittelbar plausiblen Gründen:

Erstens wurden Kraftstoffsteuern ursprünglich eingeführt, um den Unterhalt der Straßen durch ihre Nutzer zu finanzieren. Landwirte fahren aber nahezu ausschließlich auf ihren eigenen landwirtschaftlichen Flächen und nur ausnahmsweise auf Straßen. Diese Begründung für die Besteuerung kann bei dieselgetriebenen landwirtschaftlichen Maschinen also schlicht nicht greifen.

Zweitens: Als Grund für Kraftstoffsteuern auch für Landwirte wird heutzutage auch die gewünschte Lenkungswirkung durch Steuern auf CO2-Ausstoß angeführt. Man soll animiert werden, weniger zu fahren bzw. Fahrzeuge mit geringerem oder keinem CO2-Ausstoß zu nutzen. Könnte uns nun vielleicht mal irgendein neunmalkluger Ampelpolitiker erklären, welche CO2-freien Landmaschinen-Alternativen der Bauer wohl benutzen könnte, um seine Agrarflächen zu bestellen? Zurück zu Ochsenkarren und Pflug? Oder vielleicht batteriebetriebene E-Traktoren? Oder wie er überhaupt weniger auf den Feldern fahren könnte, die er bearbeiten muss? Könnte es vielleicht sein, dass das alles gar nicht geht? Also Lenkungschance auch gleich null.

Im Ergebnis greifen also die beiden Gründe für eine solche spezielle Verbrauchsteuer wie die Dieselbesteuerung hier ganz offensichtlich beide nicht. Und übrigens: Eine Steuer, zumal eine unzulässige, nicht zu verlangen, nennt man nicht Subvention. So wie man es auch nicht Geschenk nennt, wenn man jemandem etwas wegnimmt und ihm dann einen Teil davon zurückgibt.

DISKREDITIERUNGSVERSUCHE FRUCHTEN NICHT

Ein Wort schließlich noch zum Schreckgespenst „Rechtsextreme kapern Bauernproteste“. Lassen Sie sich da bitte in keiner Richtung verwirren. Wer die Proteste unterstützt, obwohl er kein Landwirt ist, dies aber im Sinne der Landwirte tut, ohne ihnen eine eigene fremde Agenda unterzujubeln, ist weder Kaperer noch Extremist. So einfach ist das.

Natürlich gibt es auch Kaperversuche, das ist bei jedem heißen Thema so. Aber anders als manche es gern darzustellen versucht haben, um die Bauernproteste zu diskreditieren, haben die Bauern das bislang sehr gut im Griff und hüten sich so entschlossen wie erfolgreich vor allen extremistischen Vereinnahmungsversuchen. Gut so!

RÜCKENWIND FÜR LANDWIRTE SETZT AMPEL UNTER DRUCK

Fakt ist: Sogar einige Landespolitiker der Ampelparteien selbst stellen sich teils auf die Seite der Bauern (und düpieren damit ihren eigenen Kanzler und Wirtschaftsminister; ein Schelm, wer Böses dabei denkt…). Wenn die Bauernproteste weiterhin so ablaufen wie bisher, sind sie immerhin eine Chance, endlich ein starkes Zeichen gegen die Realitätsblindheit der Ampelregierung und -politik zu setzen.

Ich traue ja meinen Ohren kaum, wenn ich die diversen Statements insbesondere grüner Regierungspolitiker höre. Noch haben sie gar nicht wirklich begriffen, dass der Protest viel tiefer geht als die Verbandsforderungen. Stattdessen nimmt der von jeder Wirtschaftskompetenz unangefochtene Wirtschaftsminister und Vizekanzler, der Philosoph und erfolglose Kinderbuchautor Habeck lieber weiter fast schon drollig anmutende, höchst salbungsvolle Videos auf, um uns Bürger in so besorgnisschwangerer wie belehrender Attitüde wissen zu lassen, wir alle lebten doch im besten Deutschland aller Zeiten. Kann man sich nicht ausdenken, so etwas.

Angesichts solcher Realitätsblindheit bleibt nur recht wenig Hoffnung, dass der Druck der Straße und auch der eigenen Parteikollegen, die noch ein bisschen Kontakt zur Welt außerhalb der Berliner Blase haben, die Regierung zu einer Kurskorrektur oder zur Scheidung zwingt. Aber das Jahr ist ja noch ganz jung, und oft kommt es ja auch erstens anders als man zweitens denkt.

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EU-Ratsgipfel: Kuhhändel und Geopolitik

EU-Ratsgipfel: Kuhhändel und Geopolitik

Wie sich die politischen Akteure und Kommentatoren weder einmal in ihrer moralischen Attitüde überschlagen! Zwei Gipfel, zwei Aufreger. Im Falle des COP waren es die bösen Ölstaaten, die es doch glatt wagten, sich – ja, natürlich aus Eigeninteresse – dem fossilen Eilausstieg Europas zu widersetzen. Die zunächst verfasste Abschlusserklärung: Eine Klatsche für die realitätsvergessenen Hauruck-Klimaretter. Große Empörung, oh nein, so geht das nicht, wir protestieren, dann Umformulierung, schließlich ein angeblicher Erfolg. Man habe wichtige Ziele erreicht.

Das übliche Spielchen: Jeder Gipfelvertreter stellt sich danach hin und verkauft sein Engagement als Erfolg. Nur kann niemand sagen, worin konkret der Erfolg dieser Mammutkonferenz in Dubai mit 190 Teilnehmerstaaten denn konkret bestehen soll. Tatsächlich: Außer Spesen – und jeder Menge vermeidbarer zusätzlicher Emissionen, uuups – nichts gewesen.

Doch lassen Sie mich Ihnen heute einmal anhand eines ganz anderen Gipfels, nämlich des EU-Ratstreffens dieser Woche, einige Hintergründe typischer EU-Abläufe erläutern. Um das zu verstehen, ist es wichtig, hinter die Schlagzeilen zu schauen. Das Ganze ist ein durchaus spannendes Schauspiel. 

„DRAMA-POTENZIAL“

Die Herausforderung beim aktuellen EU-Gipfel war: Die maßgeblichen Akteure der EU-Staaten sowie natürlich Kommissionspräsidentin von der Leyen wollten unbedingt als Ergebnis eine Aufnahme der Beitrittsgespräche mit der Ukraine! Genauer: alle bis auf einen. Als schicksalhaft wurde das gehandelt. Bei einer derart konkret und dringlich formulierten Erwartung wäre das Verpassen dieses Ziels nicht mehr als Erfolg verkaufbar. 

Die „tagesschau“ sprach von „Drama-Potential“, und die Ukraine warnte vor verheerenden Folgen im Falle eines Scheiterns. Sie brauchen das Ja zu Beitrittsverhandlungen als Motivationsschub für die Soldaten an der Front und natürlich auch für die Bevölkerung. Außerdem als Signal an alle Seiten, natürlich auch in Richtung Moskau, dass die EU nicht gedenkt, die Ukraine fallen zu lassen. Nun, Putin ist ein Aggressor, aber er ist nicht dumm. Ob diese Demonstration von Solidarität ihn also wirklich beeindruckt? Zumal er andererseits ja sieht, dass zwar Geschlossenheit sehr demonstrativ plakatiert wird, die echte Unterstützung etlicher Staaten jedoch schon eine ganze Weile bröckelt. Außerdem weiß auch er, dass Beitrittsgespräche lange noch kein Beitritt sind. Dessen ungeachtet wird das Signal von der EU als extrem wichtig eingestuft. 

Die Ausgangslage: 26 Staaten waren vor Gipfelbeginn im Boot, nicht wenige trotz manch zurückgestellter Bedenken, Staat 27, Ungarn, verweigerte jedoch sein Ja. Ein solcher Beschluss braucht aber Einstimmigkeit, so sind die klaren Statuten. Bis zuletzt hat man Orban deshalb auf verschiedene Weise auf Linie der großen Mehrheit zu bringen versucht. Das volle Programm, von üblen Beschimpfungen als Erpresser bis zur sich jedenfalls aufdrängenden, wenn auch nicht kausal belegbaren Vermutung kostspieliger finanzieller Zusagen im Falle einer Zustimmung waren im Gepäck. 

UNWÜRDIGES GESCHACHER? ACH WAS, GIPFELREALITÄT. 

Da kann der ehemalige grüne Pazifist und heutige selbsternannte Kriegswaffenspezialist Hofreiter-Toni im deutschen Fernsehen noch so sehr über Orban schimpfen, ihn als korrupten Kriminellen bezeichnen, behaupten, dass wir ihn nicht brauchen. Und da kann Belgiens Regierungschef Alexander de Croo noch so sehr wettern, das sei hier kein ungarischer Basar. Als Realist sage ich Ihnen: Doch, ob es den Betroffenen nun gefällt oder nicht, es braucht natürlich Orban als Vertreter Ungarns für alle Entscheidungen, bei denen Einstimmigkeit ein Muss ist. Und Ratsgipfel haben im Grunde, jeder auch nur halbwegs Kundige der Materie weiß das, stets den Charakter eines Basars. 

Das war auch diesmal so. Hätte Orban darauf bestanden, mit abzustimmen, hätte er das selbstredend gekonnt. Im „ungarischen Basar“ war aber offenbar bereits zuvor verhandelt worden, dass er zum Zeitpunkt der Abstimmung den Raum verlässt, um den anderen ein einstimmiges Ergebnis zu ermöglichen. Offiziell wird nun von allen Seiten abgestritten, dass hier ein Zusammenhang mit der plötzlichen Freigabe bislang eingefrorener Milliarden an Ungarn zwei Tage vor Beginn des Gipfels besteht. Bilden Sie sich, liebe Leser, ihr eigenes Urteil, für wie überzeugend Sie das Bestreiten dieses Zusammenhangs halten. Letztlich verweigerte Orban gesichtswahrend seine Zustimmung, ermöglichte aber zugleich durch das Verlassen des Raumes exakt zum Zeitpunkt der Abstimmung –sicher auch das ein reiner Zufall, womöglich ein unaufschiebbares menschliches Bedürfnis –, dass die anderen 26 einstimmig die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, übrigens auch mit der Republik Moldau, beschließen konnten. 

Legt man das ganze nur blendende moralische Lametta einmal beiseite, sind die Motive auf Ratsgipfeln im Grunde so einfach wie auch dem Geschehen auf einem Basar tatsächlich sehr vergleichbar: Kein Staat ist Mitglied der EU, ohne sich eigene Vorteile davon zu versprechen. Und Sie können davon ausgehen, dass all jene, die da beteiligt sind, dies tun, weil die Bilanz in Summe nach ihrem jeweiligen Verständnis zu ihrem Vorteil ist. Du willst was von mir? Was krieg ich dafür? Alles eine Frage des Aushandelns. 

Victor Orban ist bekannt dafür, vor EU-Gipfeln gerne auszuscheren und dies auch an die große Glocke zu hängen. Da die EU stets darauf bedacht ist, ein möglichst einiges Bild nach außen abzugeben, verschafft er sich so besonderes Gehör und erhebliche Verhandlungsspielräume. Die Verantwortlichen der EU dagegen haben vor Entscheidungsgipfeln nur ein Interesse: Alle Mitgliedsstaaten einigen, sowohl auf ein Abstimmungsergebnis als auch auf eine gemeinsame Argumentationslinie. So viel wie möglich soll bereits vor einem Treffen abgesichert sein. Gegenpositionen werden möglichst ebenfalls im Vorfeld abgeräumt, selten durch Überzeugung, sondern eben in aller Regel durch Aushandlung. 

DEMONSTRIERTE EINIGKEIT PRO UKRAINE-BEITRITTSVERHANDLUNG 

Es ist übrigens im Falle der Aufnahme der Ukraine-Beitrittsverhandlungen keineswegs so, dass Orban mit seinen Auffassungen so allein dasteht, wie das hierzulande üblicherweise medial dargestellt wird. In der Abwägung kommen die anderen Staaten allerdings zum Schluss, dass die Vorteile einer Pro-Ukraine-Entscheidung schwerer wiegen als die Nachteile. Und EU-Gemeinschaftsbeschlüsse zeichnen sich dann dadurch aus, dass man eben diese Einigkeit betont und Gegenargumente möglichst nicht selbst kommuniziert.

Der Transparenz halber will ich Ihnen die Gegenargumente aber hier kurz darstellen, zumal sie teilweise auch für andere Beitrittskandidaten zutreffen. 

  1. Die Ukraine würde enorme EU-Mittel benötigen. Entweder die Mitgliedsbeiträge der EU stiegen also im Fall der Aufnahme sehr wesentlich oder Finanzströme müssten zu Lasten anderer Mitgliedsländer in die Ukraine umgelenkt werden. 2. Eine Beitrittsaussicht aus außenpolitischen Gründen, kriegsbedingt, quasi ins Schaufenster zu stellen, könnte langfristig ähnlich unangenehme Spätfolgen wie im Falle der Türkei haben, wenn man die Hoffnung dann enttäuscht. 3. Den Beitrittsprozess bei gerade kriegerisch umkämpften Landesgrenzen bereits zu beginnen, widerspräche den Regeln und brächte etliche Probleme mit sich, für die keine Vorkehrungen existieren. 4. Die Ukraine hat zwar ein paar Bedingungen erfüllt, die zu erfüllen waren, aber bei weitem nicht alle. Die Erfüllung aller Bedingungen ist aber Voraussetzung dafür, dass der konkrete Prozess beginnen kann. 

SORGE VOR AUSUFERNDEN KOSTEN 

Klar ist: Ein EU-Beitritt der Ukraine wird eine extrem teure Angelegenheit. Bis zu 17 Prozent des EU-Haushalts von dann mindestens 28 Mitgliedstaaten würden allein in die Ukraine fließen. Details dazu wären ein ganz eigenes Thema. Hier dazu nur so viel: Eine umfassende EU-Reform wäre zwingend, um das bewältigen zu können. Die wird sich aber nicht durchsetzen lassen, da eine solche Reform zwangsläufig Bestandsmitgliedern massiv bisherige Pfründe streitig machen müsste. 

Die EU ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung hochattraktiv für strukturell schwache Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und hohem Agraranteil (was beides auf die Ukrainer in besonderem Maße zutrifft). Die Gründe sind klar, und man kann sie auch niemandem verdenken. Zwar müssen sich diese Staaten den Regeln der EU unterordnen, aber im Gegenzug profitieren sie finanziell erheblich, denn sie werden vom ersten Tag der Mitgliedschaft an zu Nettoempfängern aus dem EU-Haushalt. 

Hier liegt übrigens auch einer der zentralen Gründe, warum das Festhalten am Einstimmigkeitsprinzip bei den meisten wichtigen Entscheidungen so elementar wichtig ist (und warum umverteilungseuphorische Sozialisten, Linke und Grüne es unbedingt abschaffen wollen): Wenn das kippt, kann die Mehrheit der Netto-Empfängerländer befreit von der Einstimmigkeit entscheiden, wieviel die Geberländer zu zahlen haben. Die EU würde dann noch mehr, als sie es sowieso bereits längst geworden ist, zu einer reinen Transferunion. 

DIE `EU-DENKE´ ERWEITERUNG ZUR POLITISCHEN UNION 

Sie werden bemerkt haben, dass ich es ganz bewusst Ihnen überlasse, die Argumente zu bewerten. Mein Anliegen dieser Kolumne war allein, Ihnen einen Einblick in die „Denke“ von EU und EU-Mitgliedern zu ermöglichen, denn die zieht sich durch alle Themen und Entscheidungen der EU. 

Mit Moral und edlen Grundsätzen hat das alles wenig bis gar nichts zu tun. In der Politik geht es um Interessen und deren Durchsetzung. Sich gemeinschaftlich für gemeinsame Interessen zu organisieren ist so lange klug, wie die Bilanz unter dem Strich stimmt. Permanent so zu tun, als ob jegliches politische Handeln hochmoralisch motiviert wäre, ist eine unsinnige – und jedenfalls mich in den permanenten, zumeist geheuchelten Betroffenheitsritualen sogar abstoßende – Unart, auf die die EU, will sie irgendwann einmal wirklich erwachsen werden und zu einem ernstgenommenen Global Player werden, endlich verzichten sollte. 

Es geht bei allen Gipfeln wie auch bei allen parlamentarischen Entscheidungen um Interessen und Realpolitik, um konkrete und handfeste Anliegen der Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten, und damit Punkt. Das Mitgliedsland, das sich dieser Realität übrigens am weitesten verweigert, ist… na raten Sie mal. Ein kleiner Tipp: Dieses Land hat derzeit eine Außenministerin, die feministische Außenpolitik, was immer das sein mag, für einer interessengeleiteten Außenpolitik vorziehenswert hält.

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Grüne CO2-Schmutzfinken: Scheitern im Bootcamp Realität

Grüne CO2-Schmutzfinken: Scheitern im Bootcamp Realität

Wenn es nicht so unendlich schädlich für unser Land wäre, könnte man der Ampel fast amüsiert zuschauen. Insbesondere die Grünen, aber bei weitem nicht nur die, bekommen praktisch seit Regierungsbeginn eine Realitätsklatsche nach der anderen. Und das ausgerechnet bei ihrer ideologischen DNA, die bei den Grünen in ebenso brutaler wie auch absurd-verträumter Klimapolitik besteht und bei der SPD im angeblichen Beschützen der kleinen Leute, denen sie allerdings in Wirklichkeit schadet, da sie die Basis des deutschen Wohlstands zerbröselt.

Gegenseitige Korrektur erfolgt im Wesentlichen nicht, da man sich erstens bei beiden Themen nah ist und zweitens bis zum Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts, durch Geld und Macht zusammengehalten, Differenzen via Geschacher auf Steuerzahlerkosten überwand – übrigens durchaus unter Beteiligung der FDP, wenngleich die immerhin im Versuch, sich zu profilieren, Störfeuerlein legte.

GRÜNE TRÄUMER IM BOOTCAMP

Das härteste Bootcamp der Realität erleben die Grünen beim Thema Kernenergie.

Klatsche 1: Erinnern Sie sich noch an die Taxonomie-Entscheidung der EU im Sommer 2022? Das EU-Parlament hat entschieden, dass Gas- und vor allem Kernenergie als grüne Technologie eingestuft werden. Der grünen Umweltministerin Steffi Lemke stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Und die Partei bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Es blieb dabei. Richtigerweise! Selbstverständlich ist Kernenergie eine hocheffektive Möglichkeit, CO2-Emissionen zu minimieren. Noch dazu bietet sie höchstmögliche Versorgungssicherheit, egal ob die Sonne scheint oder der Wind weht.

Klatsche 2: Das Heizungsgesetz. Eine Selbstdemontage sondergleichen. Sogar viele den Grünen gegenüber wohlwollende Bürger nahmen Habecks Agieren je nach eigener Betroffenheit mit Recht als dilettantisch oder existenzbedrohend wahr.

Klatsche 3: Das Bundesverfassungsgericht verbietet die Umwidmung all der Milliarden aus dem Covid-Fonds, die Robert Habeck so dringend bräuchte, um seine irrwitzigen, unausgegorenen, schädlichen staatssozialistischen Umbauideen für unser Land umzusetzen. Dass er sich den finanziellen Freiraum, den er dafür braucht, in den nun laufenden Koalitionsverhandlungen wieder zurückholen kann, ist äußerst unwahrscheinlich, und das ist auch gut so.  

Klatsche 4: Ausgerechnet einer der Lieblingsarenen fürs Vorantreiben immer neuer unrealistischer Klimarettungsforderungen, die Weltklimakonferenz, unterstreicht: Deutschland ist mit seiner aberwitzigen Idee, die Welt zu retten, indem man selbst aus sauberer Kernenergie aussteigt und stattdessen fleißig die CO2-Emissionen in schwindelnde Höhen treibt, ziemlich allein auf weiter Flur. Zwar stehen die Polen in Nordeuropa noch schlechter da, aber die verweigern nicht die wichtigste Lösung, um das zu ändern und wollen Kernenergie ausbauen. Die Welt schaut hochgradig irritiert und befremdet auf den deutschen Irrsinn. Die einen sind sauer ob der Arroganz der Deutschen, die ihre wirtschaftliche Stärke in der EU immer gern genutzt haben, um anderen zu erzählen, was sie zu tun und zu lassen haben. Die anderen drücken schulterzuckend so etwas wie Mitleid aus.  

BÜNDNIS PRO KERNKRAFT

Und dann formiert sich auf dieser Klimakonferenz auch noch hochoffiziell ein Bündnis von 22 Staaten, darunter viele wichtige Staaten wie z.B. die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Japan, die bis 2050 den Einsatz von Kernenergie verdreifachen wollen.

John Kerry, der die USA vertritt, spricht Klartext. Man könne das Ziel von Netto-Null Treibhausgas-Emissionen bis 2050 ohne Atomkraft nicht erreichen, erklärt er so nüchtern wie zutreffend, und ergänzt: „Das hat nichts mit Politik oder Ideologie zu tun, das ist reine Wissenschaft: Mathematik und Physik.“

Ja, so einfach ist das. Entweder man gibt das Klimaziel auf oder man setzt auf Kernkraft. Das tun übrigens sogar die Schweden und auch Finnland, obwohl beide im Gegensatz zu uns über gute Möglichkeiten, zusätzlich durch Wasserkraft Energie zu erzeugen, verfügen. Wasserkraft ist weitaus berechenbarer als unser Flatterstrom aus Wind- und Sonnenkraft.   

ALLE DOOF, NUR DEUTSCHLAND HAT DEN DURCHBLICK?

Reine Wissenschaft, Physik und Mathe, ohne ideologische Verdrehung der Fakten? Was Kerry da so selbstverständlich konstatiert, ist für die deutschen Grünen – die Grünen manch anderer Staaten sind da viel weiter im Kopf, in Finnland etwa unterstützen die dortigen Grünen die Energieerzeugung des Landes aus moderner Kernkrafttechnologie – eine zu große Herausforderung. Dazu muss man gar nicht das etwas plumpe Argument bemühen, dass da wohl niemand klar denken kann. Es ist bei den Grünen vor allem so, dass „Anti Kernkraft“ so sehr zum Gründungsmythos und Markenkern der deutschen Grünen gehört, dass es sie innerlich zerreißen würde, wenn sie sich plötzlich, und sei es aus Klimaschutzgründen, offen zu Kernenergie bekennen würden. Die Folge wäre Machtverlust. Der allerdings blüht ihnen – glücklicherweise – auch, wenn sie weiter alle Fakten negierend an der Realität vorbei regieren.

Braunen Kohlestrom als grüne Energiewende zu labeln, nur weil dieser dann in Wärmepumpen und Elektroautos fließt, ist dreister Etikettenschwindel, den mittlerweile alle im Inland und im Ausland durchschauen. Und auch dem letzten E-Auto-Nutzer dämmert inzwischen, dass sein teures und vorgeblich umweltfreundliches Gefährt mit elektrischer Energie betrieben wird, die hierzulande auf so umweltschädliche und CO2-emissionsintensive Weise gewonnen wird, dass ihr Gefährt ökologisch weit problematischer unterwegs ist als moderne mit Benzin oder Diesel betriebene Fahrzeuge. Mit Ausnahme derer, die noch immer in der Traumtänzerei verharrend sogar heute noch allen Ernstes von einer erfolgreichen Zwischenbilanz der Ampel reden.

Traurig, aber wahr und objektiv belegt ist, dass wir mit unserer vollkommen verkorksten sogenannten Energiewende nun zu den Schmutzfinken der Welt wie auch innerhalb der EU zu den Staaten mit der klimaschädlichsten Energieerzeugung gehören. Ich meine: Wer das in Kauf nimmt, nur um (eigene) Kernkraft zu vermeiden, kann es mit der CO2-Reduktion gar nicht wirklich ernst meinen, sondern benutzt das Klimathema für Parteimarketing. Das geschieht fortwährend, und das ist grob verantwortungslos. 

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EU-Migrationspolitik: Ohne Einsicht keine Lösung

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Sie wissen es, ich weiß es, die meisten Bürger wissen es: In Europa und sogar ganz besonders in unserem eigenen Land leben bereits jetzt deutlich mehr zugewanderte Menschen, als die EU-Staaten integrieren und auf Dauer finanzieren können. Unser eigenes Land ist besonders hart getroffen, da wir das Hauptzielland der meisten Migranten in den Raum der EU sind. Diese werden im Neusprech der politischen Korrektheit inzwischen durchgängig als Schutzsuchende bezeichnet. Dabei setzt sich allmählich sogar in linken Kreisen, wo man sich solchen Einsichten aus ideologischen Gründen gern verschließt, die Erkenntnis durch, dass natürlich keineswegs alle Einreisenden wirklich schutzbedürftig im Sinne des Asylrechts sind.

Natürlich versuchen auch scharenweise nicht politisch Verfolgte aus sicheren Herkunftsstaaten, eine neue Heimstatt in Europa zu finden, was angesichts der in Europa gegenüber den Herkunftsländern vorherrschenden, deutlich angenehmeren Lebensbedingungen individuell auch nur zu verständlich ist. Aber weder haben sie das Recht dazu, noch könnten wir das für die Millionen einwanderungswilliger Menschen leisten, selbst wenn wir es wollten. Wer das nicht einsieht, ist ein Träumer, sogar ein gefährlicher Träumer.

WUT KOCHT HOCH

Nun scheint es inzwischen so zu sein, dass immer mehr Länder aus ihren Träumen aufwachen. Die von den unangenehmen Folgen überbordender Zuwanderung betroffenen Bevölkerungen in der Regel zuerst. Das macht dann Druck auf die Politik. Parteien, die die Migration streng begrenzen wollen, bekommen Aufwind, was wiederum andere Parteien mit der Zeit darauf reagieren lässt. Und abgesehen von den ewigen Realitätsleugnern im Lager der ganz Linken und Grünen, dämmert es den Verantwortlichen nun, nicht zuletzt auch durch ganz praktische Überforderungssituationen, seien es überfüllte Aufnahmelager oder eskalierende Konflikte, dass es so einfach nicht mehr weitergehen kann.

KOSMETIK UND SCHEINLÖSUNGEN

Nur: Dämmern reicht nicht! Unwohlsein nützt nichts! Kosmetik und endlose Diskussionen nützen nichts! Und auch Verhandlungen mit möglichen außerhalb der EU liegenden Staaten, in denen Asylverfahren abgewickelt werden sollen, oder Verhandlungen mit Staaten, die Menschen zurücknehmen sollen, dafür aber andere schicken dürfen, nützen wenig bis nichts, solange sie nur hilflose Versuche sind, notwendigem eigenem Klartext auszuweichen. Es kann nicht angehen, dass wir unser Problem nur damit meinen lösen zu können, dass wir andere dazu bewegen, uns das Problem abzunehmen! Das macht uns erpressbar. Das macht uns abhängig. Und vor allem stellt das die vermeintliche Lösung auf tönerne Füße. Diese Umwege mögen die akute Notlage, wenn es gut läuft, vorübergehend etwas abmildern. Aber nicht einmal das ist sicher, solange das Kernproblem unberührt bleibt.

BANKROTTERKLÄRUNG UND KONTROLLVERLUST

Wie nennen Sie es, wenn eine Staatengemeinschaft nicht in der Lage ist, bestehendes Recht durchzusetzen?  Ich nenne es Kontrollverlust.  Der Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier, bis 2010 acht Jahre lang Präsident des Bundesverfassungsgerichts, findet sogar schärfere Worte. Er nannte schon die Flüchtlingskrise 2015/2016 eine „Bankrotterklärung des Rechtsstaats“ und erneuerte sein Urteil kürzlich auch bezogen auf die gegenwärtigen Migrationsbewegungen. Er beklagt, und zwar absolut zutreffend, dass das europäische Asylrechtssystem schon viele Jahre sein Versagen bewiesen hat und die EU dennoch keinerlei Anstalten macht, sich in dieser Frage grundlegend neu aufzustellen. Dabei will er übrigens den Schutz von wirklich Verfolgten nicht antasten, ebenso wenig wie ich das gutheißen würde.

RECHTSUNSICHERHEIT

Migration sei immer noch das zentrale Problem der europäischen Staaten, insbesondere Deutschlands, stellt er richtig fest. In einem Interview vom 26. November mit der Welt am Sonntag erläutert er unter anderem juristische Herausforderungen. Die vorherrschende Deutung, dass EU-Recht nationales Recht in jedem Fall bricht, hebele – offenbar entgegen seiner eigenen Deutung – z.B. § 18 Absatz 2 des deutschen Asylgesetzes aus. Hier heißt es: „Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat einreist“.

RECHTSMISSBRAUCH

Und er bestätigt als Jurist das, was schon der gesunde Menschenverstand vermutet. Ich sag es etwas einfacher mit meinen Worten: Wer ein Recht missbräuchlich benutzt, kann sich nicht auf dieses Recht berufen. Dass Menschen aus asylfremden Gründen nach Europa kommen und dann auch noch selbst das Land aussuchen wollen, in dem sie leben wollen, sieht Papier weder vom deutschen Grundgesetz noch vom europäischen Recht noch vom internationalen Recht gedeckt. Diesbezüglich mahnt er Rechtsklarheit auf europäischer und nationaler Ebene an.

IGNORANTE HYBRIS

Und damit hat er vollkommen recht. Als Politiker, der seit vielen Jahren die entscheidungstragenden europäischen Akteure beobachtet und sie seit 2017 auch ganz direkt im Europäischen Parlament erlebt, möchte ich ergänzen, woran es hapert. Es mangelt nämlich keineswegs an Möglichkeiten. Was den Entscheidern weit mehrheitlich fehlt, ist der Mut und der Wille, begangene Fehler einzugestehen und die zwingende Notwendigkeit grundlegender Änderungen zu sehen.

Sich einzugestehen, dass es selbstverliebte Hybris war, zu meinen, man habe das alles im Griff, man könne sich all die illegal einreisenden Menschen dann in Europa schon zurechtbiegen und sie als künftige Fachkräfte und Rentenzahler einplanen. Hybris ferner, zu meinen, man sei in der Lage, die halbe Welt zu retten. Und Hybris schließlich auch, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die schon länger auf Kontrolle achten. Europa muss erst einmal einen Schalter im Kopf umlegen. Das ist immer noch nicht geschehen. Erst dann wird auch möglich, die Rechtsklarheit herzustellen, die Hans-Jürgen Papier vollkommen berechtigt so dringlich fordert.

Europa muss sich bekennen. Europa muss sich selbst schützen.  Dann wird es auch machbar, Rechtsklarheit herzustellen und die Asylrechtspraxis zu ändern. Die jetzige Situation, die immer noch so aussieht, dass de facto weder die EU noch die Mitgliedsländer bestimmen, wer das EU-Gebiet betritt, sondern die kriminellen Schlepper, ist unerträglich und muss beendet werden.

GEFÄHRLICHE ENTWICKLUNG STOPPEN

Überdies ist das seit vielen Jahren unverändert sich vollziehende Migrationssystem an Zynismus kaum zu überbieten. Angefangen damit, dass nicht etwa die Schwächsten und Bedürftigsten die lebensgefährliche Reise in untauglichen Booten und überfüllten Transportern antreten, sondern die Stärkeren und die, die die horrenden Summen an die Schlepper zahlen können. Und endend damit, dass nicht selten ausgerechnet die tatsächlich gut Integrierten dann teils von Abschiebung betroffen sind, während sogar x-fache Straftäter wieder auf freien Fuß gelassen werden und weiter Schaden anrichten können.

Dieser Irrsinn muss ein Ende haben! Klare Rechtsregeln, strenge und effektive Kontrolle und konsequente Durchsetzung des Rechts hilft letztlich allen, nicht zuletzt den wirklich Schutzbedürftigen.

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Vermutlich ergeht es Ihnen wie mir. Sie begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und finden es richtig, dass die Bundesregierung endlich aus ihrem schädlichen, selbst geschaffenen Wolkenkuckucksheim geholt wurde und nun – wenn auch erst durch höchstrichterlichen Zwang – tatsächlich verantwortungsbewusstes Haushalten lernen muss. Die Folgen sind gravierend und zu Teilen hochproblematisch. Aber dieser Zwang zur Umkehr birgt eben auch Chancen. Soweit ganz knapp die aktuelle nationale Haushaltsperspektive. Mein Thema ist natürlich aber immer auch die EU. Denn auch die hat natürlich einen Haushalt. Und auch die EU neigt ausgeprägt zu wenig verantwortungsvollem und rechtlich äußerst fragwürdigem Umgang mit ihren Finanzen. Und hier wie dort beruft man sich angesichts der mehr aktiv geschaffenen als passiv entstandenen Haushaltsnöte auf das Schlüsselwort der „Zeitenwende“. Und wer wollte bestreiten, dass wir uns derzeit tatsächlich national, europäisch und auch global in diversen Umwälzungen befinden, für die das große Wort einer historischen Zeitenwende nicht als zu hoch gegriffen erscheint.

UTOPIEN ZERSCHELLEN AN DER REALITÄT

Ja, es stimmt. Wir leben durchaus in einer Zeitenwende. Die vollzieht sich aber nicht, weil da irgendwelche hochunwahrscheinlichen Ereignisse eingetreten sind, mit denen man niemals hätte rechnen können. Sondern, einmal salopp formuliert:  Tatsächlich tritt uns die Realität in den letzten Jahren gleich x-fach in den Allerwertesten und konfrontiert uns mit langjähriger Naivität und Realitätsverdrängung der nationalen Regierungen wie der Entscheidungsgremien der Europäischen Union. Die desaströse Unfähigkeit der deutschen Ampelregierung macht das nur derzeit besonders deutlich, auch wenn die Ursachen der Probleme weiter zurückliegen als der Beginn dieser Regierung und keineswegs nur Deutschland allein betreffen (ein Blick nach Frankreich oder Spanien reicht völlig aus, um sich das bewusst zu machen). Nicht wehrfähig, falsche Signale nach innen wie nach außen in Serie, eines entwickelten Industrielandes unwürdige und kaputte Infrastruktur, kein tragfähiges Renten- und Sozialsystem, versagende Bildungspolitik, völlig an den realen Problemen vorbeigehende Schwerpunktsetzungen. Leben aus der schwindenden Substanz. Wir werden auf sehr vielen Ebenen die Weichen entschlossen, konsequent und gegen massive Widerstände umstellen müssen, wenn wir den Niedergang Deutschlands und Europas noch aufhalten wollen.

DEUTSCHLAND ZUR KORREKTRUR GEZWUNGEN

 Ich betone das nochmals, weil es so wichtig ist: Mit der Notwendigkeit einer konsequenten Umsteuerung meine ich nicht nur Deutschland, sondern mindestens genauso die Europäische Union. Der erteilt nämlich die Realität ebenfalls seit Jahren eine Lektion nach der anderen. Alle genannten Krisen betreffen ebenfalls die EU im Ganzen. Das glauben Sie nicht? Das Verfassungsgerichtsurteil betrifft doch nur Deutschland? Natürlich, dieses Urteil schon. Aber die Kernbotschaft „Kommt mit dem Geld aus, was Ihr habt, Schulden müssen eine Ausnahme für wirklich unvorhersehbare Einschläge sein“ müsste theoretisch sogar noch viel strenger für die Haushaltspolitik der EU gelten. Und wenn man die Urteilsbegründung liest, wird auch klar, dass es hier keineswegs nur um irgendwelche deutschen Amtsschimmel-Peanuts geht. Vielmehr liegt der Kern des Urteils darin, die Gefährlichkeit, die Zerstörungskraft einer Aufweichung der Prinzipien nachhaltiger Haushaltsführung für so bedeutend zu erklären, dass dem ganz grundlegend und konstitutionell ein Riegel vorgeschoben werden muss, den Mitgliedstaaten der EU ebenso wie den Organen der EU selbst.

EU SEGELT WEITER RICHTUNG SCHULDENUNION 

Hören Sie denn nun Politiker der Fraktionen des Europäischen Parlaments oder der Europäischen Kommission laut nachdenken? Hören Sie irgendwelche kritischen Töne, die nun, wenigstens spät angeregt vom Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts, auch die Praxis der EU hinterfragen? Im Gegenteil! Das Heil wird eher in noch mehr Vergemeinschaftung von Finanzpolitik und noch mehr überbordender und übergriffiger Steuerung, auch in dem festen Willen zu weiterer Belastung der Zukunft durch öffentliche Verschuldung gelegt, die sich immer mehr von den eigentlichen Grundsätzen der EU entfernt.   Dabei ist wenig bekannt: Während Deutschland national in bestimmtem Rahmen – dem der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse – Kredite aufnehmen darf, sehen die EU-Regeln grundsätzlich eine ausnahmslose faktische Beitragsfinanzierung durch souveräne Mitgliedsstaaten ohne jede Verschuldungsermächtigung vor. Die EU hat eigentlich gar keine eigene Verschuldungskompetenz. So ist es in den Verträgen geregelt.

Aber leider gilt: Vertragliche Regelungen werden heute gerne ganz locker unter Verweis auf diese oder jene Notlage, die die Einhaltung der Regeln leider verunmögliche, unterlaufen. Politische Aushandlungsprozesse und Interessenkungeleien zwischen Parteien und Mitgliedsstaaten bestimmen die Finanzpolitik der EU mehr denn je, die Einhaltung aus gutem Grund geschriebener und rechtlich gesetzter Grenzen stört da nur. Wenn aber alle sich permanent gegenseitig Gefallen tun, um sich irgendwie einig zu werden, und dabei gemeinsam auf bestehende Regeln pfeifen, folgt das im Grunde exakt dem Prinzip, das krank und angreifbar macht und das so auch in Deutschland bisher regierte: `Schütten wir Gräben zu mit Geld!´

EU-KURS JENSEITS DER EU-PRINZIPIEN 

Die Ampel ist nun aufgeflogen und flattert wild herum. Die einen, allen voran der wie immer wirtschaftlich irrlichternde Wirtschaftsminister Habeck, versteigen sich zu einem unverschämten „Schönen Dank, Friedrich Merz!“, weil der es doch tatsächlich wagte, den Betrug am Steuerzahler aufzudecken und mit seiner Partei gegen eine verfassungswidrige Haushaltspraxis zu klagen. Die anderen geben sich bemüht cool und hoffen, die Krise für das Durchsetzen ihrer eigenen Akzente nutzen zu können (obwohl sie selbst an der rechtswidrigen Haushaltserstellung direkt beteiligt waren). Und der wie so oft abwesend wirkende Kanzler macht, was er meist macht: Abwarten, sich wortkarg gelassen geben und grinsend schweigen.

Nun, so deprimierend es ist, dieses Trauerspiel zu beobachten, es kann durchaus noch schlimmer kommen. Denn während dem Treiben hierzulande nun glücklicherweise ein an Deutlichkeit nicht zu überbietendes Stoppsignal gesetzt wurde, macht die EU nicht die geringsten Anstalten, den Kurs Richtung Schuldenunion zu korrigieren. Gäbe es eine wirklich unabhängige Prüfstelle, sie müsste der EU-Kommission ebenso den sandigen Boden unter den Füßen wegziehen, wie das nun das Bundesverfassungsgericht mit dem nationalen Haushalt getan hat. Sie müsste die Kommission dazu zwingen, sich wieder auf die Grundsätze nachhaltiger, den Haushaltsgrundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie materieller Ausgeglichenheit zu folgen und der Verschuldung zu Lasten kommender Generationen einen Riegel vorzuschieben.

STOPPSIGNAL DRINGEND NÖTIG

Leider gehöre ich im EU-Kontext zu den nur sehr wenigen Mahnern, die immer wieder deutlich auf diese Verstöße hinweisen, wie zum Beispiel in aller Kürze hier: https://www.facebook.com/watch/?v=2539977712810081

Eine kleine Hoffnung allerdings gibt es vielleicht doch. Sie merken es alle, die Bürger wachen eher aus ideologiegetrieben und planwirtschaftlichen Träumereien auf als die Politiker, die sich darin so bequem eingerichtet haben.  So steht es Ihnen frei, künftig für eine Zusammensetzung des neuen Europäischen Parlaments sorgen, die deutlich mehr klare und mutige Stimmen gegen den verantwortungslosen Weg in eine Schulden-EU zu Entscheidungsträgern macht, damit auch hier endlich vernunftgeleitete Realisten Mehrheiten erringen. Es ist bitter nötig.

 

 

 

 

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Dieselben Politiker sind nun aber gefordert, das Beste für unser Land herauszuholen. Auf EU-Ebene und auch in Deutschland selbst. Zuversicht fällt da mehr als schwer. Sie geben uns wahrlich keinen Anlass dafür. Erst recht, nachdem das Bundesverfassungsgericht der Ampel am Mittwoch dieser Woche quasi eine höchstrichterliche Unfähigkeitsbescheinigung in der Kernkompetenz Haushaltsaufstellung ausgestellt hat. Welch ein Schlag ins Kontor.

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Worum geht´s? In der EU wird seit Monaten über eine Reform der europäischen Schuldenregeln verhandelt. Der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein enorm wichtiges Thema, das mich – ich bin neben meiner politischen Arbeit ursprünglich Finanzwissenschaftler und habe mich mein ganzes Berufsleben lang mit öffentlichen Finanzen, speziell mit öffentlicher Verschuldung befasst – besonders umtreibt. Die Mitgliedstaaten der EU sollen sich, um es vereinfacht auszudrücken, nicht beliebig verschulden dürfen, wie sie wollen, bzw. sie sollen bei bereits eingetretener zu hoher Verschuldung gezwungen sein, sie in einem klar regelgebundenen Verfahren wieder zu reduzieren. Es gibt bereits Regeln, die wurden aber wegen der Corona-Krise und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine bis 2024 vorübergehend ausgesetzt. Eigentlich war der Plan, pünktlich zum Jahresbeginn 2024 neue Regeln in Kraft zu setzen. Dass dies angesichts der höchst unterschiedlichen Positionen auch der führenden Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich bis dahin gelingt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.  

EU-KOMMISSION WILL MAASTRICHT DE FACTO ABSCHAFFEN

Übrigens, falls Sie sich wundern, wieso da überhaupt verhandelt wird, schließlich gibt es doch die Maastricht-Kriterien, die dafür sorgen sollen, dass Schulden nicht ausufern: Damit liegen Sie eigentlich völlig richtig. Eigentlich! Die Maastricht-Kriterien, die unter anderem Grenzen für die maximale Höhe der Staatsverschuldung und die maximale neue Kreditaufnahme setzen, sind eigentlich eine ganz wichtige Grundlage der Finanzen der EU. Die EU-Kommission, die einen Vorschlag für neue Schuldenregeln entworfen hat, interessiert das aber nicht weiter. Dort hat man sich von dieser Normsetzung längst verabschiedet und betrachtet sie als überkommen. Der deutsche Bundesrechnungshof nannte den Kommissionsvorschlag deshalb auch einen „de facto“-Abschied von den Maastricht-Kriterien.

IST LINDNER „VERRÜCKT GEWORDEN“?

Christian Lindner will nun unbedingt in Verhandlungen unter den europäischen Finanzministern strenge Regeln zur Schuldenbegrenzung und -rückzahlung durchsetzen. So streng, dass aus dem Kreis Macron-verbundener Abgeordneter des Europäischen Parlaments jemand gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Euractiv“ gesagt haben soll, Christian Lindner sei wohl „verrückt geworden“. Nun, Finanzminister in einer Regierung gemeinsam mit der SPD und den Grünen zu sein, mag die psychische Gesundheit tatsächlich arg herausfordern, aber grundsätzlich liegt Lindner hier vollkommen richtig und ist zumindest in Sachen europäischer Finanzen keineswegs verrückt, sondern vertritt – übrigens anders als die hoch verschuldungsfreudigen Franzosen – eine sehr vernünftige, weil für die öffentlichen Finanzen nachhaltige Position. Er drängt, wie auch der Rechnungshof, auf konkrete und verbindliche Vorgaben, die den Abbau zu hoher Schulden garantieren.

Nach außen geben sich die EU-Finanzminister optimistisch, aber tatsächlich sind die Gräben tief. Von den Spaniern, die gerade den Vorsitz innehaben, war hoch pathetisch zu hören: „Wie die Pilger auf dem Jakobsweg beginnen wir, die Kathedrale am Ende des Weges zu sehen“. Die Finanzministerin Nadia Calviño, die das sagte, möge es mir nicht übelnehmen, aber vielleicht ist die Kathedrale, die sie da sieht, doch eher ein Turmbau zu Babel.

DEUTSCHLAND MACHT DRUCK

Der größte Dissens besteht zwischen Frankreich und Deutschland. Frankreich will die angeblich drastischen deutschen Ideen unbedingt aufweichen, was etliche weitere, vorwiegend südeuropäische Mitgliedstaaten ebenso sehen. Frankreich befürchtet, dass starre Schuldenregeln am Ende konkret zum Sparen zwingen könnten, und das will man eben nicht. Ja, lachen Sie ruhig. Aber genau das ist die Sorge der zahlreichen Freunde üppiger weiterer Verschuldung.

Dabei sind sich natürlich offiziell alle einig, dass man nicht zu viele öffentliche Schulden machen darf (natürlich möglichst ohne jede quantitative Konkretisierung, wie viel denn zu viel ist) und vorhandene Schulden abbauen muss (natürlich möglichst ohne jede zeitliche Vorgabe, also de facto nie). Solange die neuen Regeln nur schön viel Spielraum lassen, das alles nach eigenem Gutdünken zu unterlaufen, nicken auch die Schuldenfans das gerne ab. Aber wehe, die Regeln sollen so konkret ausformuliert werden, dass man um wirkliche fiskalische Disziplin nicht herumkommt. Dann gibt es Stress. Und genau darauf, auf konkrete schwer bis möglichst gar nicht unterlaufbare Regeln drängt Lindner nun.  Und hat damit ungeachtet auch seines derzeitigen nationalen Desasters zu 100% recht.

AUSWIRKUNGEN AUF KLIMASCHUTZ-INVESTITIONEN

Interessant ist nun nicht zuletzt – und hier treffen sich dann die Finanzdiskussionen in der EU mit den nun anstehenden Diskussionen, die die Ampel aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gezwungen ist zu führen – wie sich der Entzug finanzieller „Rangiermöglichkeiten“ auf die Umsetzung politischer Projekte auswirken kann. 

Auf EU-Ebene zeichnet sich bereits ab, dass Investitionen für Verteidigungsausgaben als so wichtig eingestuft werden, dass strengere ausgehandelte Schuldenregeln hierfür Ausnahmen erlauben werden. Schon das ist falsch. Ausgaben für Landesverteidigung sind fraglos eine klassische öffentliche Aufgabe, die selbstverständlich innerhalb des Haushalts und mit regulären Einnahmen, sprich Steuern, zu finanzieren sind. Wenn man in dieser Zeit, aller pazifistischen Illusionen angesichts das Weltgeschehens gründlich entledigt, aus sehr nachvollziehbaren Gründen endlich wieder beginnt, Ausgaben für die Landesverteidigung als eine ganz wichtige öffentliche Aufgabe (und also auch die Ausgaben im Einzelplan Verteidigung) mit Priorität zu begreifen, dann muss man eben an anderer Stelle bei weniger wichtigen Ausgaben (oh ja, die gibt es, das wäre eine längere Aufzählung) zu entsprechenden Ausgabereduktionen bereit sein.

KEINE EXTRAWURST MEHR FÜR KLIMASCHUTZ

Was sich aber auch abzeichnet: Für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen sind solche Ausnahmen weniger wahrscheinlich. Die müssen innerhalb des dann verabschiedeten Rahmens bewältigt werden. Umweltverbände warnen, das sei absurd, da Investitionen in Klimaschutz sich immer lohnten und die Gegenrechnung dies immer belegen werde. Stichwort: vermiedene Katastrophen, die viel teurer wären. Sie vergessen allerdings nicht nur, wie begrenzt die europäischen Einflussmöglichkeiten auf das Weltklima sind. Sondern sie übersehen dabei auch fahrlässig, dass die in der Tat höchst wichtige Nachhaltigkeit nicht nur ein ökologisches Ziel ist, sondern auch ein fiskalisches. Wir wollen unseren Kindern und Kindeskindern doch wohl hoffentlich nicht nur eine möglichst intakte Umwelt hinterlassen, sondern auch solide finanzielle Verhältnisse statt eines von ihnen gar nicht mehr zu bewältigenden Schuldenberges.

REGIERUNGEN MÜSSEN HAUSHALTEN LERNEN

Was sich derzeit auf der EU-Ebene abspielt, wird zusammen mit dem BVerfG-Urteil auch Auswirkungen auf die bundesdeutsche Politik haben. Einfach ausgedrückt: Die Ampel muss nun mit dem Geld auskommen, das zur Verfügung steht. Das ist für etliche Ressortminister, allen voran für den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, eine so schmerzliche wie dringend notwendige neue Erfahrung. Das Regieren nach dem Motto „erst Zumutungen beschließen, dann mit Steuergeld die selbst erst geschaffenen Schmerzen mildern“, wird künftig deutlich schwerer. Und das ist gut so. Die Ampel muss nun, sollte sie trotz ihres desaströsen Zustands bis zur regulären nächsten Bundestagswahl weiter regieren wollen, endgültig das Träumen abstellen und überlegen müssen, was wichtig und mit Bordmitteln erreichbar ist. Dass Christian Lindner als Finanzminister je besonders überzeugt von Milliardeninvestitionen in lokalen Klimaschutz war, glaube ich nicht eine Sekunde. Hoffen wir, dass er, ermuntert von der Gesamtentwicklung, sich künftig nicht wieder auf krude Finanzumwege einlässt, schon gar nicht zugunsten irgendwelcher teuren, aber ineffektiven oder schädlichen Maßnahmen.

Die Aufgaben eines Bundesfinanzministers sind klar umrissen. Tricksen und Umschichtung in sogenannte „Sondervermögen“ zur budgetären Auslagerung und Umgehung der Schuldenregeln gehören nicht in diesen Aufgabenbestand. Das wurde glücklicherweise diese Woche von der judikativen Ebene verbindlich festgestellt.

 

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