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Geldhahn abgedreht: Traumtänzer auf Entzug

Können wir den Absturz Deutschlands bremsen oder sogar noch stoppen? Können wir die schädlichen Übergriffigkeiten der EU eindämmen und die EU auf das wirklich Nützliche beschränken? Diese Fragen stellen sich aktuell massiver denn je – und das ausgerechnet unter einer Ampelregierung. Das ist nicht zuletzt deshalb besorgniserregend, weil genau diese Ampel die spezielle Notlage Deutschlands innerhalb der EU kräftig mitverursacht hat.

HÖCHSTRICHTERLICHE UNFÄHIGKEITSBESCHEINUNG FÜR DIE AMPEL

Dieselben Politiker sind nun aber gefordert, das Beste für unser Land herauszuholen. Auf EU-Ebene und auch in Deutschland selbst. Zuversicht fällt da mehr als schwer. Sie geben uns wahrlich keinen Anlass dafür. Erst recht, nachdem das Bundesverfassungsgericht der Ampel am Mittwoch dieser Woche quasi eine höchstrichterliche Unfähigkeitsbescheinigung in der Kernkompetenz Haushaltsaufstellung ausgestellt hat. Welch ein Schlag ins Kontor.

An den Konsequenzen aus diesem Urteil führt nun kein Weg vorbei. Entweder muss die Regierung jetzt Wähler verprellen, indem sie bereits ins Schaufenster gestellte Leistungen in Höhe von 60 Mrd. Euro massiv kürzt bzw. wieder streicht, oder indem sie die ohnehin viel zu hohen Steuern nochmals massiv erhöht, um ihre bisherigen Pläne umsetzen zu können. Doch man kann es durchaus auch ins Positive wenden: Vielleicht wird diese so oft traumtänzerisch agierende Regierung derart gezwungen, endlich realistische Prioritäten zu setzen und unser aller Steuergeld für Sinnvolles statt für Unfug auszugeben.

Betroffen ist besonders das Ressort von Robert Habeck. 60 Milliarden Euro für den Klimafonds, ertrickst durch den nunmehr als verfassungswidrig entlarvten Rückgriff auf das Corona-Milliarden-Konto, stehen nun nicht mehr zur Verfügung. Habeck am Boden.

LINDNER DOPPELGLEISIG UNTERWEGS

Und Finanzminister Lindner? Lindner, der spielt gerade eine sehr wichtige Rolle bei einem Thema, auf das ich nun Ihre Aufmerksamkeit lenken will und das inhaltlich direkte Bezüge zum Vorbeschriebenen hat.  Es ist fast schon amüsant, Christian Lindners Wirken in beiden Kontexten zu betrachten. Das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Christian Lindner ist nämlich gerade der Anführer der Spar-Hardliner auf EU-Ebene, während er in Deutschland als Finanzminister der zentral Verantwortliche dafür ist, die Schuldenbremse durch einen verfassungswidrigen Schattenhaushalt umgehen zu wollen, was das Bundesverfassungsgericht nun gestoppt hat.  Um seine Glaubwürdigkeit scheint er sich ob dessen aber nicht weiter zu sorgen. Das muss man erst einmal hinkriegen. 

VERHANDLUNG DER EU-SCHULDENREGELN

Worum geht´s? In der EU wird seit Monaten über eine Reform der europäischen Schuldenregeln verhandelt. Der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein enorm wichtiges Thema, das mich – ich bin neben meiner politischen Arbeit ursprünglich Finanzwissenschaftler und habe mich mein ganzes Berufsleben lang mit öffentlichen Finanzen, speziell mit öffentlicher Verschuldung befasst – besonders umtreibt. Die Mitgliedstaaten der EU sollen sich, um es vereinfacht auszudrücken, nicht beliebig verschulden dürfen, wie sie wollen, bzw. sie sollen bei bereits eingetretener zu hoher Verschuldung gezwungen sein, sie in einem klar regelgebundenen Verfahren wieder zu reduzieren. Es gibt bereits Regeln, die wurden aber wegen der Corona-Krise und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine bis 2024 vorübergehend ausgesetzt. Eigentlich war der Plan, pünktlich zum Jahresbeginn 2024 neue Regeln in Kraft zu setzen. Dass dies angesichts der höchst unterschiedlichen Positionen auch der führenden Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich bis dahin gelingt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.  

EU-KOMMISSION WILL MAASTRICHT DE FACTO ABSCHAFFEN

Übrigens, falls Sie sich wundern, wieso da überhaupt verhandelt wird, schließlich gibt es doch die Maastricht-Kriterien, die dafür sorgen sollen, dass Schulden nicht ausufern: Damit liegen Sie eigentlich völlig richtig. Eigentlich! Die Maastricht-Kriterien, die unter anderem Grenzen für die maximale Höhe der Staatsverschuldung und die maximale neue Kreditaufnahme setzen, sind eigentlich eine ganz wichtige Grundlage der Finanzen der EU. Die EU-Kommission, die einen Vorschlag für neue Schuldenregeln entworfen hat, interessiert das aber nicht weiter. Dort hat man sich von dieser Normsetzung längst verabschiedet und betrachtet sie als überkommen. Der deutsche Bundesrechnungshof nannte den Kommissionsvorschlag deshalb auch einen „de facto“-Abschied von den Maastricht-Kriterien.

IST LINDNER „VERRÜCKT GEWORDEN“?

Christian Lindner will nun unbedingt in Verhandlungen unter den europäischen Finanzministern strenge Regeln zur Schuldenbegrenzung und -rückzahlung durchsetzen. So streng, dass aus dem Kreis Macron-verbundener Abgeordneter des Europäischen Parlaments jemand gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Euractiv“ gesagt haben soll, Christian Lindner sei wohl „verrückt geworden“. Nun, Finanzminister in einer Regierung gemeinsam mit der SPD und den Grünen zu sein, mag die psychische Gesundheit tatsächlich arg herausfordern, aber grundsätzlich liegt Lindner hier vollkommen richtig und ist zumindest in Sachen europäischer Finanzen keineswegs verrückt, sondern vertritt – übrigens anders als die hoch verschuldungsfreudigen Franzosen – eine sehr vernünftige, weil für die öffentlichen Finanzen nachhaltige Position. Er drängt, wie auch der Rechnungshof, auf konkrete und verbindliche Vorgaben, die den Abbau zu hoher Schulden garantieren.

Nach außen geben sich die EU-Finanzminister optimistisch, aber tatsächlich sind die Gräben tief. Von den Spaniern, die gerade den Vorsitz innehaben, war hoch pathetisch zu hören: „Wie die Pilger auf dem Jakobsweg beginnen wir, die Kathedrale am Ende des Weges zu sehen“. Die Finanzministerin Nadia Calviño, die das sagte, möge es mir nicht übelnehmen, aber vielleicht ist die Kathedrale, die sie da sieht, doch eher ein Turmbau zu Babel.

DEUTSCHLAND MACHT DRUCK

Der größte Dissens besteht zwischen Frankreich und Deutschland. Frankreich will die angeblich drastischen deutschen Ideen unbedingt aufweichen, was etliche weitere, vorwiegend südeuropäische Mitgliedstaaten ebenso sehen. Frankreich befürchtet, dass starre Schuldenregeln am Ende konkret zum Sparen zwingen könnten, und das will man eben nicht. Ja, lachen Sie ruhig. Aber genau das ist die Sorge der zahlreichen Freunde üppiger weiterer Verschuldung.

Dabei sind sich natürlich offiziell alle einig, dass man nicht zu viele öffentliche Schulden machen darf (natürlich möglichst ohne jede quantitative Konkretisierung, wie viel denn zu viel ist) und vorhandene Schulden abbauen muss (natürlich möglichst ohne jede zeitliche Vorgabe, also de facto nie). Solange die neuen Regeln nur schön viel Spielraum lassen, das alles nach eigenem Gutdünken zu unterlaufen, nicken auch die Schuldenfans das gerne ab. Aber wehe, die Regeln sollen so konkret ausformuliert werden, dass man um wirkliche fiskalische Disziplin nicht herumkommt. Dann gibt es Stress. Und genau darauf, auf konkrete schwer bis möglichst gar nicht unterlaufbare Regeln drängt Lindner nun.  Und hat damit ungeachtet auch seines derzeitigen nationalen Desasters zu 100% recht.

AUSWIRKUNGEN AUF KLIMASCHUTZ-INVESTITIONEN

Interessant ist nun nicht zuletzt – und hier treffen sich dann die Finanzdiskussionen in der EU mit den nun anstehenden Diskussionen, die die Ampel aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gezwungen ist zu führen – wie sich der Entzug finanzieller „Rangiermöglichkeiten“ auf die Umsetzung politischer Projekte auswirken kann. 

Auf EU-Ebene zeichnet sich bereits ab, dass Investitionen für Verteidigungsausgaben als so wichtig eingestuft werden, dass strengere ausgehandelte Schuldenregeln hierfür Ausnahmen erlauben werden. Schon das ist falsch. Ausgaben für Landesverteidigung sind fraglos eine klassische öffentliche Aufgabe, die selbstverständlich innerhalb des Haushalts und mit regulären Einnahmen, sprich Steuern, zu finanzieren sind. Wenn man in dieser Zeit, aller pazifistischen Illusionen angesichts das Weltgeschehens gründlich entledigt, aus sehr nachvollziehbaren Gründen endlich wieder beginnt, Ausgaben für die Landesverteidigung als eine ganz wichtige öffentliche Aufgabe (und also auch die Ausgaben im Einzelplan Verteidigung) mit Priorität zu begreifen, dann muss man eben an anderer Stelle bei weniger wichtigen Ausgaben (oh ja, die gibt es, das wäre eine längere Aufzählung) zu entsprechenden Ausgabereduktionen bereit sein.

KEINE EXTRAWURST MEHR FÜR KLIMASCHUTZ

Was sich aber auch abzeichnet: Für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen sind solche Ausnahmen weniger wahrscheinlich. Die müssen innerhalb des dann verabschiedeten Rahmens bewältigt werden. Umweltverbände warnen, das sei absurd, da Investitionen in Klimaschutz sich immer lohnten und die Gegenrechnung dies immer belegen werde. Stichwort: vermiedene Katastrophen, die viel teurer wären. Sie vergessen allerdings nicht nur, wie begrenzt die europäischen Einflussmöglichkeiten auf das Weltklima sind. Sondern sie übersehen dabei auch fahrlässig, dass die in der Tat höchst wichtige Nachhaltigkeit nicht nur ein ökologisches Ziel ist, sondern auch ein fiskalisches. Wir wollen unseren Kindern und Kindeskindern doch wohl hoffentlich nicht nur eine möglichst intakte Umwelt hinterlassen, sondern auch solide finanzielle Verhältnisse statt eines von ihnen gar nicht mehr zu bewältigenden Schuldenberges.

REGIERUNGEN MÜSSEN HAUSHALTEN LERNEN

Was sich derzeit auf der EU-Ebene abspielt, wird zusammen mit dem BVerfG-Urteil auch Auswirkungen auf die bundesdeutsche Politik haben. Einfach ausgedrückt: Die Ampel muss nun mit dem Geld auskommen, das zur Verfügung steht. Das ist für etliche Ressortminister, allen voran für den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, eine so schmerzliche wie dringend notwendige neue Erfahrung. Das Regieren nach dem Motto „erst Zumutungen beschließen, dann mit Steuergeld die selbst erst geschaffenen Schmerzen mildern“, wird künftig deutlich schwerer. Und das ist gut so. Die Ampel muss nun, sollte sie trotz ihres desaströsen Zustands bis zur regulären nächsten Bundestagswahl weiter regieren wollen, endgültig das Träumen abstellen und überlegen müssen, was wichtig und mit Bordmitteln erreichbar ist. Dass Christian Lindner als Finanzminister je besonders überzeugt von Milliardeninvestitionen in lokalen Klimaschutz war, glaube ich nicht eine Sekunde. Hoffen wir, dass er, ermuntert von der Gesamtentwicklung, sich künftig nicht wieder auf krude Finanzumwege einlässt, schon gar nicht zugunsten irgendwelcher teuren, aber ineffektiven oder schädlichen Maßnahmen.

Die Aufgaben eines Bundesfinanzministers sind klar umrissen. Tricksen und Umschichtung in sogenannte „Sondervermögen“ zur budgetären Auslagerung und Umgehung der Schuldenregeln gehören nicht in diesen Aufgabenbestand. Das wurde glücklicherweise diese Woche von der judikativen Ebene verbindlich festgestellt.

 

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