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EU-Migrationspolitik: Schluss mit der Augenwischerei

EU-Migrationspolitik: Schluss mit der Augenwischerei

EU-Migrationspolitik: Schluss mit der Augenwischerei

Wieder dreht die Politik eine neue Runde im Streit um Migration. Manche Runden bringen minimale Verschärfungen, andere sind vollkommen für die Katz. Von echten Lösungen, die so dringend wären, sind wir in jedem Fall sehr weit entfernt.

DIE AKTUELLE DEBATTE

Der neueste Streit: Die Regierung hat einem EU-Gesetz zugestimmt, das eine Höchstdauer von drei Jahren für EU-interne Grenzkontrollen festlegt. Die Union wettert dagegen. Ihr Argument: Ihr lobt Euch doch sogar selbst für die Grenzkontrollen und erzählt, wie effektiv die sind. Warum stimmt Ihr dann einer Befristung dieser wichtigen Möglichkeit zu?

VIEL WIND UM WENIG

Die Argumentation ist durchaus richtig, allerdings: Was geschieht denn wirklich an den deutschen Grenzen? Mitte Oktober hat die Ampelregierung nach wiederum sehr großem Druck und nach dem üblichen Gejammer, das ginge nicht und das bringe auch nichts, die stationären Grenzkontrollen auf Grenzabschnitte zu Polen, Tschechien und die Schweiz ausgeweitet. Die Grenze nach Österreich wird schon seit 2015 kontrolliert. Aber was heißt das? Es heißt meist, dass die Menschen trotzdem in unser Land kommen, obwohl sie eigentlich zur Bearbeitung der Frage ihrer Bleibeberechtigung in den jeweiligen Nachbarstaaten Deutschlands verbleiben müssten.

Aber es hieß doch, die festgestellten unerlaubten Einreisen seien spürbar und kräftig zurückgegangen, oder etwa nicht? Die WELT schreibt mit Berufung auf Angaben der Bundespolizei, im Januar seien insgesamt 6892 unerlaubte Einreiseversuche in die Bundesrepublik an den Landesgrenzen, Bahnhöfen und Flughäfen festgestellt worden, darunter zwei Drittel an den stationär kontrollierten Abschnitten zu Polen, Tschechien, der Schweiz und Österreich. 2108 davon seien zurückgewiesen worden.

Angesichts der Tatsache, dass wir von sicheren Nachbarstaaten umgeben sind, in denen Asylanträge gestellt werden sollten, sehe ich keinen Anlass, über diese Zahlen zu jubeln. Es müssten alle bereits in diesen Ländern ihren Antrag stellen. Hinzu kommt: Die großen Zuwanderungsbewegungen starten in der Regel im Frühjahr. Eingeräumt, ein gewisser Dämpfungseffekt ist durchaus vorhanden, aber dennoch sind die Zahlen der Neumigranten in Deutschland schon jetzt wieder hoch.   

„BEIFANG“ UND SCHLUPFLÖCHER

Und aufgepasst, die Zahlen benennen lediglich die entdeckten illegalen Einreisen. Wie viele gar nicht entdeckt wurden, wissen wir nicht.  Sollte diese Zahl hoch sein, wofür vieles spricht, relativiert das den Erfolg um ein weiteres. Immerhin ist auf der Erfolgsseite zu verbuchen: Die Grenzkontrolleure haben offenbar nicht wenige Schlepper und per Haftbefehl gesuchte Personen einkassiert. Das ist gut.

Warum werden nicht alle unerlaubten Einreisen an der Grenze abgewiesen? Es läuft so: Ob ein Migrant bereits einen Antrag in einem anderen Land gestellt hat, ist, sofern die Identität nicht verschleiert wird, leicht durch die Polizei feststellbar. Trotzdem kann sie die Menschen nicht automatisch zurückweisen, denn die Nachbarstaaten verweigern sich. Ihr Schlupfloch: das EU-Recht bzw. die mehrheitlich vertretene Deutung des EU-Rechts. Demnach muss Deutschland Asylsuchende zunächst einreisen lassen. Dann wird via Dublin-Verfahren die Zuständigkeit geprüft. Und dann wird der Betreffende in das zuständige Land gebracht. Moment, das war doch was … theoretisch! Und praktisch: Bleiben sie hier.

DREI JAHRE VON KOMMISSIONS GNADEN

Dass künftig legal drei Jahre Grenzschutz möglich sind, könnte man – wiederum theoretisch – durchaus als Fortschritt ansehen. Rechtlich waren bisher nur zwei Jahre möglich. Die Neufassung des Schengener Grenzkodex erlaubt nun bei außergewöhnlichen Umständen und sehr gut begründet bis zu drei Jahre, wenn „die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht“ ist. Grob: Je länger die Phase sein soll, desto mehr darf die EU-Kommission mitreden. Es gibt übrigens sogar einige weitere neue zu Teilen durchaus sinnvolle Regelungen zur Eindämmung, auf die ich aber nicht weiter eingehen will, denn Ihnen wird aufgefallen sein, oben ist es erwähnt, dass die Grenze zu Österreich bereits seit 2015, also doch eigentlich viel länger als erlaubt, kontrolliert wird. Was ist da los? Nun, das ist schnell erklärt. Die Wahrheit ist: Das komplette Migrationssystem der EU ist längst schon vollständig dysfunktional! Es gilt: Wer die Regeln einhält, ist der Dumme, weil der, der sie nicht einhält, damit durchkommt. Und wenn es hart auf hart kommt, gibt es sowieso Notbeschlüsse.

AUFWACHEN! AUSGETRÄUMT!

Der Traum der verschwundenen Grenzen innerhalb Europas ist ausgeträumt.  Nicht etwa, weil es so erstrebenswert wäre, das eigene Land wieder selbst schützen zu müssen. Nein, weil Europa schlicht und einfach unfähig und unwillig war, das Migrationsproblem frühzeitig mit der gebotenen Ehrlichkeit und Nüchternheit zu betrachten und Lösungen dafür zu finden. Die Lage wurde schöngeredet, Scheinlösungen bevorzugt, Verantwortung vertagt, auf Wunder gehofft. Und die Realisten wurden mit Moralkeulen geprügelt.

Nun haben wir den Salat. Und ich bin mir sicher, dass die Union sehr genau weiß, dass ihre Auffassung, dass es gar keine Befristung der Grenzkontrollen geben sollte, wiederum auf „Geht nicht, dürfen wir nicht, bringt nix“ stoßen wird. EU-rechtlich ist das tatsächlich angreifbar. Aber ein EU-Migrationsrecht, das letztlich EU-Unrecht erzeugt, weil es durch Missachtung ausgehöhlt wird, nützt nicht, sondern schadet.

Die Befristung der Grenzsicherung geht vom Irrglauben aus, dass wir Grenzschutz vorübergehend als Notlösung brauchen. Wahr ist aber, dass wir Binnenkontrollen so lange brauchen werden, wie der Schutz der EU-Außengrenze nicht verlässlich funktioniert. Deshalb ist die Befristung utopischer Quatsch. 

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In eigener Sache

In eigener Sache

Zu Beginn der kommenden Woche werden alle Parteien, die zur Neuwahl des Europäischen Parlaments (EP) antreten wollen, ihre Kandidatenlisten bei der Bundeswahlleitung einreichen. Die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) haben sich schon in dieser Woche der Mühe unterzogen, diese Listen einmal zu durchsuchen und auf diesen Listen – vergeblich – nach meinem Namen gesucht. Und folgern daraus in ihrer Schlagzeile: „Meuthen vor EU-Aus“. Da ich auf keiner der Listen erscheine, seien meine „Tage als EU-Abgeordneter gezählt“.

Mir selbst, liebe Leserinnen und Leser, liegt solch reißerische, vermutlich der journalistischen Aufmachung geschuldete Dramatik angesichts des Beschriebenen vollkommen fern. Aber der Artikel fügt sich insoweit trefflich, als ich Sie hier an dieser Stelle ohnedies an diesem Wochenende über den in Rede stehenden Sachverhalt zu informieren beabsichtigte (bevor sich daran interessierte Medien damit beschäftigen). Denn ungeachtet der mich eher etwas belustigenden, weil so düster dräuenden Wortwahl, ist der dort in Rede stehende Sachverhalt von den BNN korrekt wiedergegeben.

Ich stehe auf keiner der Parteilisten, die eingereicht werden, ich kandidiere nicht für eine Wiederwahl und werde folgerichtig dem EP mit Beginn der neuen Legislaturperiode im Juli nicht mehr angehören. Darüber wollte ich Sie, meine vielen und treuen „Follower“ auf meiner Seite, als erstes informieren. Nun ist mir ein Printmedium mit der Nachricht ein paar Stunden zuvorgekommen, na sei´s drum.

Wichtig ist mir in dem Zusammenhang eine weit weniger dramatische, sondern ganz nüchterne und gelassene Einordnung dieses Vorgangs. Politische Mandate, das wird wohl zuweilen von einigen übersehen, die sich für im Mandat unentbehrlich halten, sind in der freiheitlichen Demokratie immer Ämter auf Zeit, also endlich, und zwar in der Regel vor dem Ende des eigenen Daseins. Und das ist auch sehr gut so. Das Ausscheiden von Abgeordneten aus einem Parlament ist ein vollkommen normaler, alltäglicher und undramatischer Vorgang. Und genau so verhält es sich selbstverständlich auch mit meinem bevorstehenden Ausscheiden aus dem EP.

Ich habe seit April 2016 als Abgeordneter in zwei Parlamenten gearbeitet, zunächst als Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Landtag, dann ab Dezember 2017 für 6 ½ Jahre als Europaabgeordneter in Brüssel und Straßburg, dort von Juli 2019 bis zu meinem Ausscheiden aus Partei und Fraktion im Januar 2022 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Diese überaus arbeitsreichen Jahre waren von etlichen bemerkenswerten und kostbaren Begegnungen, die ich nicht missen wollte, geprägt, wie auch vom Kennenlernen menschlicher Abgründe einiger Zeitgenossen, die mir in meinem Leben vor der Politik glücklicherweise nicht begegnet waren. Und von oft alles abforderndem Tagesgeschäft, über dem immer auch vieles ungetan blieb und auf irgendwann später verschoben werden musste.

Dieses Später beginnt nun bald. Das Ausscheiden aus dem EP heißt für mich persönlich deshalb auch kein wie auch immer geartetes „Aus“, wie es die genannte reißerische Schlagzeile insinuiert. Sondern es heißt für mich, dass ein über viele Jahre spannendes, überaus arbeitsreiches, von vielen Höhen und manchen Tiefen geprägtes Leben als Europaabgeordneter endet, und dass damit in naher Zukunft für mich ein neues Kapitel meines Lebens fern des Alltags eines Europaabgeordneten beginnen kann. Und darauf freue ich mich.

In diesem neuen Kapitel werde ich ganz gewiss auch immer ein politischer Mensch, ein homo politicus bleiben. Niemand kann aus seiner Haut. Ob daraus noch einmal eine aktive Tätigkeit als Politiker erwächst, stelle ich hier bewusst offen, denn das ist es für mich. Ich habe ja, anders als mancher Berufspolitiker heutiger Provenienz, einen sehr schönen, ordentlichen Beruf, den ich immer auch als Berufung empfunden habe.

Für meine bisherige, Ihnen wohlvertraute Praxis auf dieser Seite hier heißt das natürlich auch, dass in nächster Zeit Veränderungen anstehen. Bis das Parlament Ende April seine Tore für diese Legislaturperiode schließt, werde ich im Zuge der Wahrnehmung meines Mandats auch noch meine europapolitischen „Meuthen am Mittwoch“-Videobeiträge aus dem Parlament und meine Samstagskolumnen wie gewohnt fortsetzen, unterbrochen lediglich von einer Woche Osterurlaub. Danach endet dieser regelmäßige Turnus. Ich werde mir dann die Freiheit unregelmäßig erscheinender Beiträge zu diversen zeitgeschichtlichen und politischen Themen, die mir interessant und der Betrachtung wert erscheinen, erlauben. Dies in der Hoffnung, dass die meisten von Ihnen meiner Seite treu bleiben und diese neue Form der Beiträge ebenfalls Ihr Interesse wecken wird.

Lassen Sie uns also gemeinsam offen für das Neue sein, das kommen wird. Wenn eines gewiss ist im Leben, dann dass nichts bleibt, wie es war. Sonst würde es einem doch auch irgendwann langweilig, oder?

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EU-Knatsch im rechten Lager: Fundi-Krawallos vor Ausgrenzung

EU-Knatsch im rechten Lager: Fundi-Krawallos vor Ausgrenzung

Können Sie sich daran erinnern, dass sich die Berliner Hauptstadtmedien jemals besonders für informelle Treffen von Vertretern rechtskonservativer Parteien der EU interessiert haben? Ich nicht, obwohl ich bereits seit Ende 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments (EP) bin. Klar, wenn es eine größere Zusammenkunft der europäischen Parteispitzen gab, dann war das auch mal kurz für den Moment interessant. Was haben sie vor? Ziehen sie an einem Strang, wenn es darum geht, die Politik in Europa zu beeinflussen? Fahren sie eine gemeinsame Strategie in ihren Heimatländern oder driften sie eher auseinander? Welche Bündnisse, welche Abneigungen gibt es? Klar, so etwas interessiert Journalisten, um die Akteure und ihr künftiges Agieren in den Parlamenten einschätzen zu können.

AUSEINANDERDRIFTEN DER RECHTSKONSERVATIVEN

Seit einiger Zeit jedoch berichtet die Presse deutlich intensiver als zuvor, denn erstens stehen die Europawahlen vor der Tür und zweitens merken die auch, dass sich da derzeit etwas tut. Von Knatsch in der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), in der sowohl die Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen als auch die deutsche AfD – zumindest noch – vereint sind, ist die Rede. Begonnen hat es mit Berichten über den jetzigen Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, dem diverses Fehlverhalten zur Last gelegt und der bereits zweimal temporär von der Fraktion suspendiert wurde. Bereits diese eine Personalie führte zu Spannungen zwischen der AfD einerseits und den übrigen Parteien in der ID-Fraktion.

Seit Correctiv vor Wochen über das Potsdamer Treffen berichtet hat, knirscht es nun erst recht zwischen Le Pen und der AfD. Alice Weidel muss sich wie eine ungezogene Elevin als Vertreterin ihrer Partei vor Le Pen rechtfertigen, versuchen die Wogen zu glätten, was ihr jedoch offenbar nicht gelingt. Le Pen hat sich nicht nur außergewöhnlich klar von dem Potsdamer Treffen und den Remigrationsideen Sellners distanziert, sondern eben auch von der AfD selbst. Warum ist das bedeutsam? Nun, weil es hier keineswegs nur um das Potsdamer Treffen geht. Der tatsächliche Dissens ist viel größer.   

 ERFOLGSRECHTE AUF REALOKURS    

Die Unstimmigkeiten zwischen der AfD und Le Pens RN stehen für einen viel weitergehenden Disput im rechten Lager und markieren nur die Spitze eines Eisbergs der Entfremdung.

Für die diesjährigen Europawahlen wird eine erhebliche Stärkung des rechtskonservativen Lagers im EP prognostiziert. Dieses besteht aus der Fraktion der EKR und der Fraktion der ID. Nun muss man sich das politische Spiel im Parlament für die Vergangenheit ungefähr so vorstellen:  Die EKR (darin Melonis Fratelli d’Italia und die polnische PiS) wird gerade noch so eben als Gesprächspartner von der derzeit bedeutendsten Kraft im EP, der EVP (darin CDU/CSU), oft als Mitte-Fraktion betitelt, akzeptiert. Die ID-Fraktion dagegen (darin Le Pens RN, Salvinis LEGA, die FPÖ und eben die AfD) hat normalerweise keine Chance auf irgendwelche Teilhabe im Sinne einer politischen Zusammenarbeit.  

Le Pen und auch einige andere rechtskonservative Parteien im EP sind aber –durchaus nicht grundlos – zuversichtlich, durch die Wahlergebnisse der kommenden Europawahl gestärkt, eventuell einen Zusammenschluss der beiden rechtskonservativen Fraktionen und jedenfalls punktuell in der Sache eine Zusammenarbeit auch mit der EVP erreichen zu können. Sie wollen auf diese Weise endlich echten politischen Einfluss gewinnen und sich von wirkungsloser Fundamentalopposition verabschieden.

FUNDAMENTALISTEN VERHINDERN MACHTOPTIONEN  

Unübersehbar haben etliche der rechtskonservativen Parteien dieser Fraktionen schon vor geraumer Zeit damit begonnen, sich von selbstbeschädigenden, als zu krass empfundenen Positionen zu verabschieden, um diesem Ziel echter politischer Relevanz näher zu kommen. Sie verorten sich zunehmend mittiger und lösen sich von randständigen Positionen (und auch von entsprechender Wortwahl). Diese Parteien sind, mit oder ohne bereits bestehende Regierungsverantwortung, inzwischen in der Realpolitik angekommen und haben ihren früheren Fundamentalismus und auch extreme Positionen weitgehend abgelegt. Das gilt für alle in dieser Kolumne genannten Parteien, außer der AfD, die sich unübersehbar und von den anderen europäischen Parteien eben auch bemerkt in die andere Richtung entwickelt.

Und nun empfinden die starken realpolitischen Kräfte die Extremen, die Unberechenbaren auch jenseits eines echten Zusammenschlusses bereits als imageschädigende Störfaktoren. Auch wer nicht entschlossen mitziehen will, soll sich als Minimalanforderung wenigstens keine Skandale leisten und gefälligst seine Truppen im Griff haben. Wer das nicht leistet oder zu garantieren imstande ist, stellt ein zu großes Risiko dar und bekommt infolgedessen erst Druck und dann deutliche Distanz zu spüren.

SPANNENDE SORTIERPROZESSE

Was sich also gerade abspielt, sind im Grunde sehr spannende Sortierprozesse im Lager der rechten Fraktionen des EP, mit noch weitgehend offenem Ausgang. Es kristallisiert sich aber bereits jetzt ein starkes realpolitisches Lager heraus, das bei positivem Wahlausgang aller Voraussicht nach eine Chance bekommen wird, anders als bislang europapolitische Prozesse wirklich zu beeinflussen. Die fundamentaloppositionellen Parteien, die sich den fragwürdigen Luxus krasser Positionen wie krassen Personals leisten, exemplarisch die deutsche AfD, werden da eher nicht dabei sein. Sie behalten dann wohl ihre Nische am ganz rechten Rand, haben allerdings etwaige Machtoptionen für lange Zeit verspielt. Für Marine Le Pen persönlich ist die Aussicht auf die angestrebte Präsidentschaft in Frankreich übrigens auch im Hinblick auf spätere nationale Wahlen aktuell positiver denn je zuvor.  Wer ihre Positionen teilt, darf also hoffen.

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In der EU und in Deutschland: Alarmstufe ROT für die Meinungsfreiheit

In der EU und in Deutschland: Alarmstufe ROT für die Meinungsfreiheit

Es ist schon bemerkenswert, was der deutschen Presse in Reaktion auf das geplante sogenannte Demokratiefördergesetz der Innenministerin Nancy Faeser, das im Zusammenspiel mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ der Familienministerin Lisa Paus gesehen werden muss, einfiel. Selbst üblicherweise eher zurückhaltend formulierende Blätter griffen zu starkem Vokabular. Das Bürgerhirn werde als „grundsätzlich anfällig, extremistisch vernetzt zu werden“ gesehen und geriete „in der Schlapphut-Perspektive zum Objekt der Früherkennung: neuronal mitgehangen, geheimdienstlich mitgefangen“. Man ginge „bei der Bürgerbeobachtung in die Vollen“.  Wenn sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung so deutliche Worte findet, wird hoffentlich spätestens auch der letzte Träumer aufmerksam.

VERRÄTERISCHE PRÄSENTATION

Nun ist das Demokratiefördergesetz bereits seit spätestens März 2023 als Entwurf bekannt. Nach erster Lesung hängt es seitdem in den Ausschüssen fest, weil die FDP hier glücklicherweise auf der Bremse steht. Schon bei Einbringung ins Parlament hagelte es Kritik. Der Entwurf wurde sogar von einigen Juristen als verfassungswidrig eingestuft. Wenn nun kürzlich Nancy Faeser im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Verfassungsschutz und dem BKA „Aktuelle Maßnahmen gegen Rechtsextremismus“ vorstellt, in diesem Kontext das Demokratiefördergesetz, im Verlauf fast ausschließlich über Rechtsextremismus als Gefahr spricht und diesen sehr offensichtlich vor allem offenbar exklusiv um eine bestimmte Partei herum sieht, dann hat bereits das mehr als ein Geschmäckle. Wie immer man die gemeinte Partei oder deren Vorfeld-Organisationen beurteilen mag, die Augen reibt man sich ganz unabhängig von der eigenen Einstellung, sofern man nicht selbst verfaesert ist.

Will da eine Ministerin etwa ein Gesetz vor allem zur Bekämpfung einer bestimmten politischen Partei missbrauchen? Was ist denn z.B. mit türkischen Rechtsextremisten? Die Bundeszentrale für politische Bildung nannte die Grauen Wölfe 2017 die stärkste rechtsextreme Organisation hierzulande, und das dürfte sie noch heute sein. Unwichtig? Was ist mit Islamisten? Was ist mit Linksextremisten, die in Verfassungsschutzberichten zutreffenderweise als erhebliche Bedrohung erwähnt werden? Nur sehr beiläufig wurden solche Gefahren ganz kurz allgemein erwähnt.

ES TUT SICH ETWAS

Immerhin: Die dreiste Einseitigkeit hat nicht nur in der Presse Wellen geschlagen. Auch im Bundestag gab es vor einer Woche eine Debatte anlässlich einer von der AfD beantragten Aktuellen Stunde. Dass diese dort natürlich scharfe Worte fand, versteht sich von selbst, schließlich sieht sie sich als Hauptbetroffene des geplanten Gesetzes. Jedoch haben sich auch die Union und Teile der FDP sehr deutlich positioniert. Natürlich nicht zugunsten der AfD, aber eben doch sehr deutlich gegen das geplante Gesetz.  Man traut seinen Ohren kaum, wenn etwa Philipp Amthor resümiert, das „dient einer Entfesselung staatlicher Gewalt zugunsten einer Herrschaft des Verdachts“, wenn er richtigerweise die Differenzierung zwischen rechts und rechtsextremistisch einfordert und überdies die Wichtigkeit von rechten Positionen im politischen Spektrum betont. Da ahnt man in Reihen der Union wohl, wie das alles weitergehen wird, wenn man diesem Treiben nicht rechtzeitig Einhalt gebietet. Auch andere Redner fanden deutliche Worte. Wichtig! Positiv! Aber …

MACHEN WIR UNS NICHTS VOR

Dass die Ampel nun so unter Beschuss steht und sowohl medial als auch parlamentarisch für ihre Übergriffigkeit gegenüber den Bürgern deutlich kritisiert wird, darf keineswegs dazu verleiten, schon entspannt aufzuatmen. Teils ist das Gegenfeuer schlicht dem Wettbewerb geschuldet. Teils ist es auch wegen ideologischer Blindheit auf einem Auge entstanden. Wer sich selbst so deutlich und ungeschickt wie Nancy Faeser in den berechtigten Verdacht bringt, ein vermeintliches Demokratieschutzgesetz zur Untergrabung von Demokratie zu missbrauchen, der erntet natürlich Gegenwind. Warten wir mal ab, welche Änderungen noch erfolgen. Und zwar sowohl beim Demokratiefördergesetz als auch beim Bundesgesetz „Demokratie leben!“ von Lisa Paus. Mit vordergründigem Abräumen der offensichtlichsten Fehler ist es nicht getan. Die Mixtur von Faesers Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus, Demokratiefördergesetz und „Demokratie leben!“-Erziehung und -Aktivismus entfaltet seine Gefährlichkeit im Zusammenspiel und ist teils schwer durchschaubar.

EU-„SCHUTZ“ OBENDRAUF

Was gern unterschätzt wird, einfach, weil es gern dröge und kompliziert daherkommt, ist der enorme Einfluss der EU-Gesetzgebung auf die Mitgliedsstaaten.  Etwa 80 Prozent unserer Gesetze und Regeln sind EU-beeinflusst. Das gilt auch für das Thema Meinungsfreiheit. Wohlklingend und vielleicht auch ursprünglich gut gemeint werden allerlei Schutzregeln ersonnen. Doch selbst wenn die tatsächlich aus einer Schutzabsicht heraus entwickelt wurden, so bergen sie meist in sich die erhebliche Gefahr, missbraucht zu werden. Darum ist die Warnung vor Regelungswut und Übergriffigkeit so wichtig. Ein der Kommission in jüngster Zeit sehr dringliches Anliegen ist der Schutz vor Desinformation. Nun, da muss man nicht viel zu sagen, oder? Warum das hochproblematisch ist, liegt auf der Hand. George Orwells Wahrheitsministerium aus dem dystopischen Roman „1984“ erscheint da nicht mehr fern, um es noch zurückhaltend auszudrücken. Zum Schutzprojekt „Digital Services Act“ dagegen möchte ich Sie gern in meiner nächsten Videokolumne näher informieren. Was wohl ein eifriges Demokratie“schützer“-Team Faeser-Paus-Haldenwang daraus machen wird? Gutes ist da ganz sicher nicht zu erwarten.        

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Neue Amtszeit für VON DER LEYEN? NEIN! Geht gar nicht!

Neue Amtszeit für VON DER LEYEN? NEIN! Geht gar nicht!

Man mag es kaum glauben. Die CDU wirft allen Ernstes erneut ausgerechnet Ursula von der Leyen als mögliche EU-Kommissionspräsidentin in den Ring. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Und wiederum in einem Verfahren, das bereits 2019 mit Recht scharf als Demokratieproblem kritisiert wurde! Und nun dasselbe noch einmal? Frau von der Leyen wird wiederum auf keinem Wahlzettel stehen, den Sie als Bürger ausfüllen können. Wäre es 2019 nach Wählerstimmen gegangen, hätte übrigens Manfred Weber damals Kommissionspräsident werden müssen, was uns wahrscheinlich einiges erspart hätte.

SO WEIT SO SCHLECHT – UND IHRE BILANZ?

Wenn sie von der Führungsebene der Union und anderen nun förmlich in den Himmel gelobt wird, wird das uns Bürgern oft so verkauft: „Sie hat es ja auch schwer gehabt, zwei schwere Krisen, Corona und der Ukraine-Krieg. Respekt! Was die alles managen musste!“ Nun, ich sage es einmal ganz deutlich, das ist Unsinn. Leistungen in einer Funktion messen sich nicht an den in dieser Funktion fraglos hohen Herausforderungen, sondern eben an der erbrachten Leistung zur Bewältigung der Herausforderungen, sprich an den Resultaten der Amtsführung. Und diese sind im Falle der bald endenden Amtsperiode Frau von der Leyens geradezu vernichtend schlecht.

BLÜHENDES SCHLEPPERGESCHÄFT

Das gewaltige Problem mit ungesteuerter Migration darf und muss man komplett der EU anlasten. Es ist das EU-Recht, das eine effektive Abwehr von in den Schengen-Raum illegal hineinströmenden Menschen, die über unsere Belastungsgrenze gehen und die zu großen Teilen hier nicht schutzberechtigt sind, verunmöglicht. Und es ist natürlich der nach wie vor völlig unzureichende Schutz der europäischen Außengrenzen, der diesen Menschen den Zugang ermöglicht. In den fünf Jahren ihrer Amtszeit haben Frau von der Leyen und ihre Kommission hier exakt nichts erreicht.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt Erschreckendes. Nach dem vorläufigen Migrations-Rekordjahr 2015 waren die Zahlen der unerlaubten Grenzübertritte bis inklusive 2019 zunächst gesunken.  Von der Leyen ist seit Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission. In ihrem ersten vollen Amtsjahr 2020 sank zwar die Zahl nochmals, dies allerdings offenkundig coronabedingt. Doch sobald das erste Pandemiejahr vorbei war, stiegen die Zahlen Jahr für Jahr wieder an, statt weiter zu sinken. 2023 gab es fast doppelt so viele unerlaubte Grenzübertritte wie 2017.  

Und das Schleppergeschäft steht unverändert in voller Blüte. Gemessen am Anteil der entdeckten Schlepper – eine andere Basis ist nicht möglich – hat sich das Verhältnis von Schleppern zu Migranten von 2015 zu 2023 mehr als verdoppelt. 2767 Schleuser wurden von Januar bis November 2023 aufgegriffen. Im Jahr davor sah es ähnlich aus.

PRIORITÄTEN AUS WOLKENKUCKUCKSHEIM

Die Schaffung hervorragender Rahmenbedingungen für eine blühende europäische Wirtschaft statt für blühende Schleppergeschäfte – DAS wäre aber von der Leyens wichtigste Aufgabe gewesen. Was hat sie aber stattdessen getan? Sie hat die Bürokratisierung für Unternehmen massiv weiter vorangetrieben, statt diese wie geboten abzubauen. Sie hat die Fremdbestimmung der nationalen Unternehmen und der nationalen Politik weiter ausgebaut und damit die nationale Souveränität der Länder weiter zurückgeschraubt. Mit dem unsäglichen Green Deal, den Frau von der Leyen selbst als Herzstück ihrer Amtszeit betrachtet, als quasi alles durchdringende, alles bestimmende Priorität hat sie das Allerwichtigste, unsere wirtschaftliche Lebensader, den Motor Marktwirtschaft, seiner Wirkkraft beraubt und ihn schwerstbeschädigt. Und das Schlimmste: Sie hat damit en passant auch gleich das große No-Go der EU eingerissen, nämlich das Verbot der EU, eigene Schulden aufzunehmen. Niemals sollte die EU eigene Schulden aufnehmen dürfen. Von der Leyen hat aus der EU eine Verschuldungsunion gemacht und damit eines der wichtigsten Prinzipien der EU verletzt.

Von der Leyens Rolle in der Corona-Politik ist darüber hinaus ein eigenes Thema, das eine ausführliche separate Beschäftigung erforderte. Hier stellen sich viele, sehr viele Fragen, die hoffentlich noch einer ausführlichen nicht nur journalistischen, sondern vor allem juristischen Aufarbeitung zugeführt werden. Diese Aufarbeitung muss und wird noch kommen, Frau von der Leyen wird da sehr viel zu erklären und zu verantworten haben, wovor auch eine zweite Amtszeit sie keineswegs schützen darf.

MORALISIERUNG UND ÜBERWACHUNG Mit ihrer unsäglichen Überbewertung vorgeblich moralischer Aspekte in der Außenhandelspolitik hat sie die EU weltweit nicht attraktiv, sondern teils geradezu lächerlich gemacht, darin übrigens tatkräftig unterstützt von der deutschen Außenministerin Baerbock. Wenn China und die USA mit ihrer Handelspolitik für wichtige potentielle Partnerländer weitaus interessanter sind als die EU mit ihrer naiven Hybris einer die ganze Welt erziehen wollenden Besserwisserei, dann ist das ganz besonders in dieser wichtigen Phase der Neusortierung von Handelsbeziehungen nachhaltig schädlich.

Moralisiererei und Übergriffigkeit erlebten wir unter von der Leyen auch im Inneren in Gestalt des Umgangs mit einigen EU-Staaten. Hier ein Zeigefinger Richtung Polen, dort eine empfindliche Strafe für Ungarn, auch in Bereichen, die nationaler Souveränität überlassen bleiben sollten. Wie die EU uns Unionsbürger nun sogar noch darin lenken möchte, wie wir uns  an unsere eigene Geschichte erinnern sollen, habe ich Ihnen vor kurzem bereits in einer Kolumne erläutert. Es hinterlässt einen fassungslos.

Was uns demnächst, eingeleitet ebenfalls unter von der Leyens Ratspräsidentschaft, in Bezug auf die freie Verfügbarkeit von Informationen einerseits und die Speicherung unserer Daten andererseits erwartet, gibt ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Was den Bürgern dort als Schutz vor Desinformation und Schutz vor Verbrechen vorgestellt wird, dürfte absehbar alsbald in eine ausgedehnte und freiheitsunterlaufende Kontrolle umschlagen.

STÄRKUNG DER EU-GEGNER

Es scheint insgesamt, als ob der EU-Apparat zwar immer leistungsstärker in der Kontrolle seiner eigenen Bürger wird, jenseits dessen aber mehr und mehr die Kontrolle verliert.

Diese falsche Politik schadet den Mitgliedsstaaten der EU massiv. Sie untergräbt überdies das Vertrauen und begünstigt jene Kräfte, die nicht mehr an eine Reformierbarkeit der EU glauben und sie deshalb gleich ganz abschaffen wollen. Die Menschen Europas an Bord zu behalten und sie von den Segnungen einer sich auf das Sinnvolle und Notwendige beschränkenden Union zu überzeugen, sollte aber zu den vornehmsten Aufgaben einer Kommissionspräsidentschaft gehören und die Politik prägen. Unter von der Leyen geschieht seit Jahren leider das exakte Gegenteil.

Es bleibt noch die kleine Hoffnung, dass sich die Personalie von der Leyen angesichts des von ihr angerichteten Desasters nach der bevorstehenden Europawahl nicht wird durchsetzen lassen. Wahrscheinlicher erscheint indessen aus heutiger Sicht, dass von der Leyen sich wie schon 2019 durch wohlfeile Versprechungen in Richtung der Sozialdemokraten, der Linken und vor allem der Grünen erneut, wenn auch wie schon 2019 nur ganz knapp,  eine hauchdünne Mehrheit wird sichern können. Für Europa wie für die Europäische Union sind das leider ganz düstere Aussichten.

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EU-Migrationskontrolle: Hilflose Versuche

EU-Migrationskontrolle: Hilflose Versuche

Wenn es nach Dringlichkeit ginge, könnte man täglich über Migrationspolitik schreiben. Weder haben wir eine vernünftige Lösung für die erwünschte Migration, also die Einwanderung Qualifizierter zu fördern, noch haben wir eine Idee,  die unerwünschte illegale Migration wirksam zu verhindern. Und das, obwohl alle, wirklich alle in allen Ländern der EU sich vollständig darüber im Klaren sind, dass nur eine glaubwürdige, echte Bewältigung des Problems sie davor bewahren würde, dass mehr und mehr rechtsextreme Kräfte an Einfluss gewinnen. Das sehen inzwischen viele auch eher links regierte Staaten als wichtige Herausforderung an.

Erstaunlich, dass man in der EU dennoch mit der Verhinderung der illegalen Migration nicht vorankommt. Obwohl doch, da war doch was … 

DIE STORY VOM HISTORISCHEN DURCHBRUCH

Na klar, im Dezember hatte die EU einen als historisch bezeichneten Durchbruch verkündet. Sie erinnern sich doch ganz bestimmt an die bahnbrechenden Neuerungen, verkündet in der Vorweihnachtszeit, die ja traditionell eine gute Zeit für Märchen aller Art ist. Selbstverständlich kam das auch im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen pünktlich, ein Anstandsabstand muss natürlich sein.

Nein, Sie erinnern sich an keinen Durchbruch? Nun, da sind Sie dann in womöglich gar nicht von Ihnen ersehnter guter Gesellschaft mit dem „Flüchtlingspapst“ Gerold Knaus. Der nun weiß Gott in der Disziplin „Sand in die Augen streuen“ versierte Experte spricht diesen „Durchbruch“ betreffend von einem sinnlosen Pakt, der sogar gefährlich ist, weil er falsche Erwartungen weckt.  In Wahrheit werde sich nichts wesentlich ändern.

Neu versprochen ist dies: schnellere Verfahren, wirksamere Kontrollen, schnellere Rückführung, finanzielle oder materielle Unterstützung für stark betroffene Länder durch Teilabnahme der Migranten. Das kommt Ihnen wenig glaubwürdig vor? Das ist es auch. Lassen Sie sich nicht von den vielen NGOs irritieren, die diesen Pakt wie jeden Vorschlag, der gegen ihre buchstäblich grenzenlosen Open Border-Fantastereien steht, natürlich mit dem üblichen Geschrei als vorgeblich brutal und menschenfeindlich ablehnen.   

 MECKERN FÜR DIE HEIMAT

Kürzlich erst gab es eine Abstimmung der EU-Mitgliedsstaaten über diesen angeblichen historischen Durchbruch vom Dezember. Und prompt verkündet Martin Kupka, ein tschechischer Minister, der neue EU-Migrationspakt sei schlechter als die Ursprungsfassung, die von Tschechien im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft vorbereitet worden war, und deshalb enthalte er sich. Im Dezember hatte die tschechische Regierung die Einigung noch begrüßt. Nun war es offenbar aus innenpolitischen Gründen bzw. aus Gründen der bevorstehenden Europawahl wichtig, hörbar Bedenken zu artikulieren, jedoch nicht dagegen zu stimmen. Die Klarheit von Polen und Ungarn nämlich wollte Tschechien nicht an den Tag legen. So läuft das halt in Brüssel und Straßburg. Das Abstimmungsverhalten der Länder hier muss der Bevölkerung zuhause verkauft werden können. Wird das Verkaufen zu schwierig, muss man ausscheren.   

WARUM NUR, WARUM? 

Aber gerade weil die Ländervertreter ihre Entscheidungen ja zuhause verkaufen müssen, fragt man sich doch immer wieder, warum es nicht zu effektiven Lösungen kommt, nicht wahr? Nun gibt es je nach politischer Position sehr verschiedene Erklärungen, warum das Problem nicht gelöst wird. Ohne Wertung, nur ein kleiner Überblick:

Boshaftigkeit: Das ist die Lesart der äußerten Rechten, die mit der Unterstellung operieren, man wolle mit voller boshafter Absicht Bevölkerungen austauschen.

Geschäftemacherei: Migranten, die als schutzbedürftig gelten, seien schlicht Gelddruckmaschinen für die Hilfsorganisationen inklusive der Kirche. Oder sie seien gewinnbringend als Billiglohner für die Wirtschaft.

Falsche Prioritäten und Problemleugnung: Die geht oft einher mit der Kritik, dass entstehende Konflikte in der Aufnahmegesellschaft kleingeredet werden.

Problemverschiebung: Das ist die Lesart von der ganz linken Seite, die gerne behauptet, das einzige Problem läge in der Aufnahmegesellschaft, die sich zu wenig um Integration bemühe und fremdenfeindlich sei. 

Und schließlich haben wir noch die, die sagen: Ach wissen Sie, was wir wollen, ist eigentlich ganz egal, denn es geht einfach nicht. Man könne die EU-Außengrenze gar nicht effektiv schützen. Interessant dabei finde ich dann allerdings, dass dieser Grenzschutz nach einer Asylprüfung in einem Drittstaat dann plötzlich doch möglich sein soll. 

GEFANGEN IN DER EIGENEN FALLE

Nun, mittlerweile ist wohl immerhin ganz überwiegend common sense, dass angesichts der vielen unübersehbaren Konflikte die EU-Staaten durchaus gern Kontrolle darüber hätten, wer da ins Land kommt und wer nicht. Das Problem ist eher: Kontrolle zu bekommen ist ihnen nicht wichtig genug, um das eigene Handeln der Vergangenheit einmal grundsätzlich selbstkritisch zu hinterfragen und einzuräumen, dass die anderen, die schon länger davor gewarnt haben, dass die Probleme illegaler Massenmigration überhandnehmen werden, vielleicht gar nicht böse oder rassistisch, sondern einfach nur realistisch sind.

Was ich mich übrigens oft frage: Wie sortieren diese Leute eigentlich Alt-Kanzler Helmut Schmidt ein, der sich in höherem Alter mehrfach sehr deutlich kritisch gegenüber massiver Zuwanderung positioniert hat? War der etwa auch so ein Böser? Oder ist es nicht viel mehr so, dass besagter Alt-Kanzler Schmidt heute vollkommen zurecht einen legendären Ruf deshalb genießt, weil er zu seiner aktiven Zeit einen Pragmatismus an den Tag legte, den wir bei der heutigen Politiker-Generation ebenso schmerzlich vermissen wie seine von politischem Mut und Entschlossenheit gespeiste Bereitschaft, die Dinge auch dann anzupacken und zu lösen, wenn sie nicht mit schönen Bildern einhergehen und unangenehme, zuweilen auch schmerzhafte Entscheidungen verlangte.

Das ist die Haltung und der Charakter, den es bräuchte, um die Problematik endlich wirklich in den Griff zu bekommen.

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