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Wenn Hybris auf Wirklichkeit trifft: Klatsche für Selbstgerechte

Geradezu ein Lehrstück für die Arroganz des Westens lieferte kürzlich ein BBC-Interview, in welchem der Präsident von Guyana, einem Land an der Atlantikküste Südamerikas, von einem Journalisten der BBC befragt wurde. Zugespitzt – keine Zitation, aber den Kern des Gesprächs korrekt wiedergebend – verlief das Gespräch so:

Journalist: Sie wollen in den nächsten Jahren vor Ihrer Küste Öl und Gas im Wert von 150 Milliarden Dollar fördern. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Das sind ja mehr als zwei Milliarden Tonnen Kohlenstoffemissionen, die Sie damit in die Atmosphäre jagen wollen. Wie können Sie nur?

Präsident: Moment mal, was fällt Ihnen denn ein? Ihre Welt, nicht meine, mit Ihrer industriellen Revolution hat schon 65 Prozent der Artenvielfalt der Erde zerstört. Wir dagegen haben uns einen Wald erhalten, der ein Vielfaches der emittierten Menge speichern kann.  Wir sind mit unseren Emissionen nettonull, Sie nicht. Stecken Sie sich Ihre Belehrungen also sonstwo hin. 

Natürlich war der ruppige Ton in Wirklichkeit um eine Winzigkeit höflicher, die Botschaft dagegen war aber wechselseitig (!) sehr klar. Dem Besserwisserwessi stand ein nicht zuletzt aufgrund des enormen Wirtschaftswachstums seines Landes äußerst selbstbewusster Präsident gegenüber, der es sich leisten konnte, Klartext zu sprechen. 

Hören Sie auch schon die Einwände unserer Weltrettungsmoralisten? Aber aber, das Gesamtklimaziel, wir sind doch alle eine Welt, da kann er doch nicht einfach hemmungslos emittieren. Oder die Einwände der Klimafinanzjongleure? Aber aber, der könnte uns doch jede Menge Zertifikate verkaufen, schließlich sind wir die Industrieländer, wir brauchen das, der nicht, der kann doch auch gleich auf Solar umsteigen, da scheint doch immer die Sonne und Wind gibt´s da auch. 

BELEHRUNG – SELBSTGERECHTES EUROPA 

Selbstgerecht, egozentrisch – oder sollte ich besser sagen eurozentrisch –, scheinheilig, so wirken wir nicht selten auf den Rest der Welt. Wir, der Westen. Wir, die EU. Wir, die Deutschen, in der dauerbelehrenden Attitüde insbesondere der Grünen leider sogar ganz besonders. Und dieser Präsident eines erst seit kurzem aufstrebenden südamerikanischen Landes hielt letztlich uns in diesem Interview einfach einmal den Spiegel vor.  

Dabei sind es doch Leute wie er, denen besonders Deutschland, seit die Ampel im September 2021 das Ruder übernommen hat, nun mal so richtig zeigen wollte, wo der globale Energiewendehammer hängt. Mit hochfliegenden Träumen war die Ampel gestartet. Der Plan: Deutschland als elitäre Spitze der Retter vor dem bevorstehenden Klimaarmageddon endlich in  Siebenmeilenschritten Richtung CO2-freie Zukunft führen.  Und die ganze Welt, so die an Naivität nur schwer zu toppende Illusion, schaut uns dabei bewundernd zu, sieht, wie wunderbar die schöne neue Welt sein kann, lernt mit uns und folgt sodann dem großen Vorbild aus Europa. 

Nun, inzwischen dämmert es wohl auch dem letzten Traumtänzer, das kam alles ziemlich anders. Tatsächlich schaut man in der Ferne auf uns und lernt. Nämlich wie man es nicht macht. Wie man Menschen, die durchaus bereit für eine durchdachte energetische Weiterentwicklung unseres Landes waren, auf die Palme bringt und in mehr als begründete Verarmungssorgen treibt. Wie selbsternannte vermeintliche Weltenretter erst abheben, sich dann alsbald verheben, straucheln und abstürzen. Ohne Augenmaß, ohne Bodenhaftung, ohne Blick fürs Ganze. 

Um nicht missverstanden zu werden: Auch ich bin der Überzeugung, dass wir global ganz grundlegend eine sogar sehr engagierte Umwelt- und Naturschutzpolitik brauchen (ich spreche bewusst nicht von Klimapolitik, denn der Glaube, das Weltklima in den Temperaturen auf die Nachkommastelle exakt steuern zu können, entspringt vor allem anderen einer enormen Hybris). Ein Narr wäre, wer das negierte. Allerdings bedarf es dazu einer klugen, ausgewogenen und vor allem schrittweisen Dekarbonisierung. Das ist eine Aufgabe dieses 21. Jahrhunderts, und es ist eine globale Aufgabe. Eine kleine Weltregion wie Europa, oder gar nur Deutschland, die diese Aufgabe quasi im Alleingang und binnen ganz weniger Jahrzehnte – Stichwort klimaneutrale EU bis 2050, manchem grünbeseelten Weltrettungsfantasten ist ja selbst das noch zu langsam – erledigen will, fährt ihre eigene Heimatregion wirtschaftlich mit Karacho an die Wand und erreicht ökologisch wenig bis gar nichts. 

Und darum kann es keineswegs schaden, wenn in einem solchen von Belehrungseifer getriebenen Interview dem das Interview führenden Journalisten dieser Eifer von einem selbstbewussten Präsidenten salopp gesprochen um die Ohren gehauen wird. Gut so. Wir sollten unsere Übergriffigkeit oder Überheblichkeit gegenüber anderen Ländern einstellen.  Nicht nur der Präsident Guyanas bekommt mit, wie wir agieren und wohin uns das führt, sondern letztlich alle. Tatsächlich wäre es nicht nur schön, sondern auch politisch bedeutsam, künftig in der Welt nicht nur noch als Lost Europe wahrgenommen zu werden.  

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