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In der EU und in Deutschland: Alarmstufe ROT für die Meinungsfreiheit

Es ist schon bemerkenswert, was der deutschen Presse in Reaktion auf das geplante sogenannte Demokratiefördergesetz der Innenministerin Nancy Faeser, das im Zusammenspiel mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ der Familienministerin Lisa Paus gesehen werden muss, einfiel. Selbst üblicherweise eher zurückhaltend formulierende Blätter griffen zu starkem Vokabular. Das Bürgerhirn werde als „grundsätzlich anfällig, extremistisch vernetzt zu werden“ gesehen und geriete „in der Schlapphut-Perspektive zum Objekt der Früherkennung: neuronal mitgehangen, geheimdienstlich mitgefangen“. Man ginge „bei der Bürgerbeobachtung in die Vollen“.  Wenn sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung so deutliche Worte findet, wird hoffentlich spätestens auch der letzte Träumer aufmerksam.

VERRÄTERISCHE PRÄSENTATION

Nun ist das Demokratiefördergesetz bereits seit spätestens März 2023 als Entwurf bekannt. Nach erster Lesung hängt es seitdem in den Ausschüssen fest, weil die FDP hier glücklicherweise auf der Bremse steht. Schon bei Einbringung ins Parlament hagelte es Kritik. Der Entwurf wurde sogar von einigen Juristen als verfassungswidrig eingestuft. Wenn nun kürzlich Nancy Faeser im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Verfassungsschutz und dem BKA „Aktuelle Maßnahmen gegen Rechtsextremismus“ vorstellt, in diesem Kontext das Demokratiefördergesetz, im Verlauf fast ausschließlich über Rechtsextremismus als Gefahr spricht und diesen sehr offensichtlich vor allem offenbar exklusiv um eine bestimmte Partei herum sieht, dann hat bereits das mehr als ein Geschmäckle. Wie immer man die gemeinte Partei oder deren Vorfeld-Organisationen beurteilen mag, die Augen reibt man sich ganz unabhängig von der eigenen Einstellung, sofern man nicht selbst verfaesert ist.

Will da eine Ministerin etwa ein Gesetz vor allem zur Bekämpfung einer bestimmten politischen Partei missbrauchen? Was ist denn z.B. mit türkischen Rechtsextremisten? Die Bundeszentrale für politische Bildung nannte die Grauen Wölfe 2017 die stärkste rechtsextreme Organisation hierzulande, und das dürfte sie noch heute sein. Unwichtig? Was ist mit Islamisten? Was ist mit Linksextremisten, die in Verfassungsschutzberichten zutreffenderweise als erhebliche Bedrohung erwähnt werden? Nur sehr beiläufig wurden solche Gefahren ganz kurz allgemein erwähnt.

ES TUT SICH ETWAS

Immerhin: Die dreiste Einseitigkeit hat nicht nur in der Presse Wellen geschlagen. Auch im Bundestag gab es vor einer Woche eine Debatte anlässlich einer von der AfD beantragten Aktuellen Stunde. Dass diese dort natürlich scharfe Worte fand, versteht sich von selbst, schließlich sieht sie sich als Hauptbetroffene des geplanten Gesetzes. Jedoch haben sich auch die Union und Teile der FDP sehr deutlich positioniert. Natürlich nicht zugunsten der AfD, aber eben doch sehr deutlich gegen das geplante Gesetz.  Man traut seinen Ohren kaum, wenn etwa Philipp Amthor resümiert, das „dient einer Entfesselung staatlicher Gewalt zugunsten einer Herrschaft des Verdachts“, wenn er richtigerweise die Differenzierung zwischen rechts und rechtsextremistisch einfordert und überdies die Wichtigkeit von rechten Positionen im politischen Spektrum betont. Da ahnt man in Reihen der Union wohl, wie das alles weitergehen wird, wenn man diesem Treiben nicht rechtzeitig Einhalt gebietet. Auch andere Redner fanden deutliche Worte. Wichtig! Positiv! Aber …

MACHEN WIR UNS NICHTS VOR

Dass die Ampel nun so unter Beschuss steht und sowohl medial als auch parlamentarisch für ihre Übergriffigkeit gegenüber den Bürgern deutlich kritisiert wird, darf keineswegs dazu verleiten, schon entspannt aufzuatmen. Teils ist das Gegenfeuer schlicht dem Wettbewerb geschuldet. Teils ist es auch wegen ideologischer Blindheit auf einem Auge entstanden. Wer sich selbst so deutlich und ungeschickt wie Nancy Faeser in den berechtigten Verdacht bringt, ein vermeintliches Demokratieschutzgesetz zur Untergrabung von Demokratie zu missbrauchen, der erntet natürlich Gegenwind. Warten wir mal ab, welche Änderungen noch erfolgen. Und zwar sowohl beim Demokratiefördergesetz als auch beim Bundesgesetz „Demokratie leben!“ von Lisa Paus. Mit vordergründigem Abräumen der offensichtlichsten Fehler ist es nicht getan. Die Mixtur von Faesers Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus, Demokratiefördergesetz und „Demokratie leben!“-Erziehung und -Aktivismus entfaltet seine Gefährlichkeit im Zusammenspiel und ist teils schwer durchschaubar.

EU-„SCHUTZ“ OBENDRAUF

Was gern unterschätzt wird, einfach, weil es gern dröge und kompliziert daherkommt, ist der enorme Einfluss der EU-Gesetzgebung auf die Mitgliedsstaaten.  Etwa 80 Prozent unserer Gesetze und Regeln sind EU-beeinflusst. Das gilt auch für das Thema Meinungsfreiheit. Wohlklingend und vielleicht auch ursprünglich gut gemeint werden allerlei Schutzregeln ersonnen. Doch selbst wenn die tatsächlich aus einer Schutzabsicht heraus entwickelt wurden, so bergen sie meist in sich die erhebliche Gefahr, missbraucht zu werden. Darum ist die Warnung vor Regelungswut und Übergriffigkeit so wichtig. Ein der Kommission in jüngster Zeit sehr dringliches Anliegen ist der Schutz vor Desinformation. Nun, da muss man nicht viel zu sagen, oder? Warum das hochproblematisch ist, liegt auf der Hand. George Orwells Wahrheitsministerium aus dem dystopischen Roman „1984“ erscheint da nicht mehr fern, um es noch zurückhaltend auszudrücken. Zum Schutzprojekt „Digital Services Act“ dagegen möchte ich Sie gern in meiner nächsten Videokolumne näher informieren. Was wohl ein eifriges Demokratie“schützer“-Team Faeser-Paus-Haldenwang daraus machen wird? Gutes ist da ganz sicher nicht zu erwarten.        

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