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EU-Antwort auf Inflation Reduction Act

Bürokratisch, panisch, vor den Kopf geschlagen, aufgescheucht. So reagierte sowohl die europäische als auch die deutsche Politik, als der US-Kongress im Sommer 2022 den „Inflation Reduction Act“, kurz IRA, verabschiedet hatte. Der IRA bedeutet eine mehrere Hundert Milliarden Dollar schwere Förderung für grüne Technologie in den USA. Die Amerikaner haben damit auf die starke Marktposition der Chinesen im Bereich erneuerbarer Energien reagiert. Die Europäische Union wiederum sieht sich seitdem doppelt unter Druck, einerseits von den Chinesen, andererseits von den Amerikanern.

SO VIEL PANIK NUR WEGEN GRÜNER TECHNOLOGIE?

Womöglich fragen sich einige von Ihnen nun, was denn das alles soll. Warum schiebt die EU denn überhaupt Panik, wenn erklärt CO2-emissionsfreie oder CO2-emissionsarme Technologie sich nicht in Europa abspielt? Sind die ein bisschen doof? Ist doch eh alles Unsinn?

Nun, mein Standpunkt zu alledem ist bekannt. Sich in vernünftiger Geschwindigkeit mittel- bis langfristig von fossiler Energieerzeugung weg zu entwickeln ist aus mehreren Gründen sinnvoll und richtig. Das Timing und das Wie sind allerdings entscheidend. Unsere Wirtschaft muss stabil bleiben. Und die Alternative zu fossilen Quellen muss zwingend absolute Versorgungssicherheit statt Flatterstrom bieten.  

Aber: Vollkommen unabhängig davon, welche Meinung Sie oder ich dazu haben, im weltweiten Industriewettbewerb spielt es eine sehr bedeutende Rolle, welche Länder den Wettbewerb um die Produktion von grüner Technologie gewinnen werden.  Neben der Frage, wer welche Rohstoffe für sich sichern kann, ist diese Frage zentral! Energie ist nun einmal das Lebenselixier jeder modernen Wirtschaft. Andere Länder mögen den Weg weg von fossilen Energien klüger und umsichtiger als unsere verbohrte grün dominierte Berliner Ampeltruppe angehen, Fakt ist aber, dass grüne Technologie weltweit boomt, als Schlüssel zum Erfolg eingestuft wird und Unternehmen ihre Investitionen und ihre Standorte daran ausrichten.

AUF DER SUCHE NACH DEM GEGEN-GIFT

Dass die Europäische Union also versucht, eine Antwort auf die milliardenschweren Förderprogramme von Amerikanern und Chinesen für die Produktion grüner Technologien zu finden, ist daher so nachvollziehbar wie richtig. Doch wie?

Gefragt wäre ein wirkungsvolles Instrument der Staatengemeinschaft, das die lebensgefährliche Charme-Offensive aus Übersee auszuhebeln geeignet ist. Wenn die Amerikaner mit `Gifts for the economy´ Unternehmen, auch europäische, auch deutsche, zur Ansiedlung in den USA verführen wollen, welches Gegenmittel könnte die EU bieten? Dagegenhalten mit einem eigenen Hunderte-Milliarden-Paket? Wovon? Ideen für neue EU-Fonds hatte die Mehrheit der Mitgliedstaaten schon früh abgelehnt. Ein Subventionswettbewerb scheidet also, von seiner generellen Fragwürdigkeit einmal ganz abgesehen, schon mangels Geld aus. Wie also dann? 

OHNE MOOS NIX LOS?

Das Milliarden US-Dollar schwere Paket ist so gestrickt, dass es unkomplizierte Verfahren mit minimalen Bürokratiehürden bedeutet. Ein hocheffektiver Hammer für die amerikanische Wirtschaft. Dieser Schlag ins Kontor der europäischen Wirtschaft trifft die EU und insbesondere Deutschland aber keineswegs allein wegen der Finanzanreize so hart.

Was die USA für deutsche Unternehmen so attraktiv als Produktionsstandort macht, ist erstens eine sehr pragmatische Wirtschafts- und Energiepolitik. Zweitens können Unternehmen dort auf schnelle Entscheidungen ohne endlose Bürokratiehürden vertrauen.

Theoretisch hat die EU das durchaus verstanden. In Ermangelung finanzieller Möglichkeiten haben die vielen Unterhändler der Nationen, der Parteien und Interessengruppen dann versucht, eine Charmeoffensive zu kreieren, die ohne große Fördertöpfe auskommt und stattdessen Europa als Investitionsort für Industrie attraktiver macht.

Ausgerechnet die schwerfällige, überbürokratisierte EU, die fast regelmäßig Einigungen zwischen Mitgliedsländern entweder durch teure Gaben oder Zugeständnisse erkauft oder aber die Einigung so löchrig formuliert, dass für jeden Einigungsunwilligen ein Loch eingeplant ist, will ein smartes Paket zur Industrieverführung basteln? Ein neues Korsett für die freie Wirtschaft vielleicht, das sich besser anfühlt?

HALBGARE EU-ANTWORT

Nun, voi­là, es ist vollbracht, die kommenden Abstimmungen gelten als Formsache: Die EU hat ihre Antwort auf den „Inflation Reduction Act“ gefunden, den „Net Zero Industry Act“. Das will die EU verstanden wissen als Förderprogramm für grüne Technologien. Einen extra Fördertopf gibt es aber nicht. Es stellt eher einen Rahmen dar, der den Weg zu bereits reichlich vorhandenen Töpfen ermöglicht. Heimische sogenannte Cleantech-Industrien der EU sollen künftig von schnelleren Genehmigungsverfahren profitieren und bei öffentlichen Ausschreibungen und Auktionen bevorzugt werden.  Chinesische Konkurrenz wird so nicht ausgeschlossen, aber begrenzt. Weitere bisher nicht anerkannte Technologien werden als förderwürdig anerkannt, allerdings nicht verpflichtend für alle Staaten. Deutschland darf so weiter seinen Irrweg der Verdammung der Kernkraft gehen, statt sie zu fördern. Immerhin: Die EU stuft Atomkraft als „strategisch“ wichtig für Klimaneutralität ein. Deutschland hat seine verbohrte Sicht wenigstens nicht durchsetzen können.

Ich möchte Sie hier weder mit weiteren Punkten noch mit Textauszügen quälen, sondern mich in diesem Fall auf mein – freilich wenig erfreuliches – Fazit beschränken. Nein, das ist leider kein großer Wurf. Ja, es sind einige wenige positive Ansätze enthalten, aber nein, das ist ganz sicher weder eine angemessene Antwort auf den chinesischen noch auf den amerikanischen Vormarsch. Bürokratismus lässt außerdem immer noch herzlich grüßen, wenn man sich das bisher Bekannte genauer anschaut. „Die europäische Antwort auf den IRA der USA fällt mickrig aus“, kommentiert das Handelsblatt vollkommen zutreffend.

BÜROKRATISCHE INNOVATIONSBREMSER

Und nein, das liegt nicht nur daran, dass kein Geld zur Verfügung stand. Was eine kluge Antwort auf den IRA verhinderte, ist dasselbe Problem, das auch den gesamten „Green Deal“ der EU prägt. Stephan Richter, ein profunder Kenner des amerikanischen Marktes und auch der EU brachte es einmal sehr treffend auf den Punkt: 

„Die Green-Deal-Taxonomie der EU scheint die schlimmsten deutsch-französischen Traditionen zu vereinen – den französischen Dirigismus und den spätpreußischen Rigorismus. […] Die wirksamste Strategie für Deutschland, den Klimawandel global beherrschbar zu machen, besteht nicht darin, seinen inländischen Anteil von 1,8 % an den globalen Emissionen zu verdrängen, sondern die deutschen Ingenieurleistungen freizusetzen – statt sie übermäßig einzuschränken.“

So ist es. Und genau hier hätte eine Chance gelegen, Europa als Standort attraktiv zu machen, gerade, wenn man kein Geld hat. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern Europas ist reichlich Potential und Knowhow für technische Innovationen vorhanden. Was fehlt, ist nicht Geld, sondern Spielraum für die Entfaltung dieses Potentials.  Wenn Bürokraten Kreativität verwalten oder gar in völliger Hybris gestalten wollen, erstickt das Innovation statt sie zu fördern. Diese Einsicht und Selbstbescheidung ist in Brüssel fern, sehr fern, und wird es wohl auch noch lange bleiben.

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