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Angst vor eigener Existenznot durch Sanktionen ist NICHT unanständig. Energiesteuern aussetzen!

Kein Tag vergeht derzeit, an dem es nicht neue schlimme Nachrichten aus der Ukraine gibt. Was die Menschen dort in diesen Tagen ertragen müssen, die umfassenden Zerstörungen, die ständige Angst um Leib und Leben, das eigene wie das der Liebsten, kann einem das Herz zerreißen. Das lässt – Gott sei Dank – niemanden gleichgültig, wie ja auch die große und beeindruckende Welle der Solidarität und der menschlichen Hilfe für aus dem Kriegsgebiet flüchtende Menschen, die wir fast überall in Europa sehen können, eindrucksvoll belegt.

Hinzu kommt, und das ist keineswegs unanständig, wie uns mancher obermoralisierende Zeitgenosse glauben machen will: Dieser Krieg macht selbstverständlich auch hier in Deutschland vielen Menschen durchaus berechtigte Sorge vor eigener Not! Neben der Besorgnis, ganz Europa, also auch Deutschland könnte in diesen Krieg hineingezogen werden, sind es heftige Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, die bereits jetzt immer mehr Menschen Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Um diese Sorgen soll es in meinen heutigen Samstagsgedanken gehen.

Letztlich können – und werden das absehbar leider auch – fast alle Produkte mehr oder minder deutlich im Preis steigen. Doch bereits jetzt spüren die Menschen die ersten deutlichen Auswirkungen an zwei ganz empfindlichen Stellen: an der Zapfsäule und beim Heizen. Besonders die Spritpreise haben die Gemüter in den letzten Tagen sehr bewegt. Nicht dass die Heizkosten wirklich weniger Anlass zu Sorge geben, aber die kletternden Preise an der Zapfsäule haben wir täglich vor Augen, die Heizkostenverteuerung ist noch nicht in jedem Briefkasten.

In meiner Rede am Dienstag im Europäischen Parlament habe ich dazu sehr klar Stellung bezogen. Und ganz gleichgültig, was obermoralische Opferforderer (die oft so gut situiert sind, dass sie die Opfer, die sie von anderen verlangen, selbst kaum spüren) dazu sagen: Der Spritpreis MUSS bezahlbar bleiben! Wäre das Auto lediglich ein Luxusgut, das man zur Freizeitgestaltung benutzt, wäre das Auto ein Transportmittel, von dem man jederzeit auf ein anderes umsteigen kann, sich unabhängig machen kann, könnte man über die Dringlichkeit diskutieren. Fakt ist aber, dass Millionen Arbeitnehmer und Selbstständige, Familien, und ja, auch viele Unternehmen sehr abhängig vom Auto sind und wirtschaftlich in schlimmste Schieflagen geraten, wenn wir derart massive Preissteigerungen erleben, wie das in diesen Tagen geschieht. Jeder Autofahrer spürt das inzwischen ganz unmittelbar.

Als ich Mitte dieser Woche mein Auto nach einer längeren Fahrt volltanken musste, hatte ich an der Kasse der Tankstelle für die rund 68 von mir getankten Liter Dieselkraftstoff (zum Preis von 2,36 €) für eine Tankfüllung einen Preis von sage und schreibe 160 € zu entrichten. Und wir dürfen nicht vergessen: Das Ende der Preis-Fahnenstange ist selbst jetzt absehbar noch nicht erreicht! Und es gibt bereits jetzt sehr viele Menschen in unserem Land, die sich das Betanken ihres Autos zu diesen Preisen einfach nicht mehr leisten können.

Der Staat ist deshalb hier zwingend gefordert, die entstehenden Nöte von Bürgern und Unternehmen ernst zu nehmen und dagegen vorzugehen! Das gilt hier umso mehr, als der Staat selbst es ja ist, der den Kraftstoffpreis überhaupt erst so teuer macht. Den größten Anteil an den Benzinkosten machen Steuern aus, nicht der Warenwert an sich! Am Ende der „Nahrungskette“ stehen die Tankstellen selbst. Sie verdienen nur wenige Cent pro Liter am Treibstoffverkauf.

Schauen wir uns die Preisgestaltung einmal an. Sowohl bei Benzin als auch bei Diesel setzt sich der Preis so zusammen:

Einkaufspreis (Warenwert) + Energiesteuer (früher Mineralölsteuer) + CO2-Steuer + Mehrwertsteuer.

Bei einem Benzinpreis von 2,10 Euro liegt der Energiesteuersatz bei 65,45 Cent je Liter! Mit der Mehrwertsteuer zahlt der Verbraucher dann nochmal eine Steuer auf die Energiesteuer – Sie lesen richtig, liebe Leser: Das ist eine Steuer auf die Steuer! – und auf den Warenpreis. Der prozentuale Anteil für Abgaben auf Super E10, Stand 7.3.2022, liegt bei 51,3%. Rund die Hälfte des Benzinpreises geht also von der Zapfsäule direkt an den Staat. Und es liegt in der reinen Zahlenlogik, dass der Finanzminister von steigenden Kraftstoffpreisen auf den Warenwert entsprechend profitiert, die hohen Spritpreise also derzeit dem Staat erhebliche zusätzliche Einnahmen bescheren, ohne dass es dazu überhaupt einer Steuersatzänderung bedürfte.

Die marktbedingten Preissteigerungen kann der Staat im Grunde nicht beeinflussen, jedenfalls nicht kurzfristig. Allein diese werden die Verbraucher künftig wohl schon schwer belasten. Das Rohöl hat sich enorm verteuert. Ein Barrel der Sorte Brent-Öl lag zuletzt bei 129 US-Dollar, das sind 74 Prozent mehr als drei Monate zuvor. Die Preissituation kann angesichts des Krieges weiter eskalieren. Wenn der Staat bei seiner Abgabenpolitik auf Kraftstoffe bleibt, bedeutet das grob gesagt nichts anderes als dass er seinen eigenen „Gewinn“ aus den galoppierenden Preisen einstreicht.

Liebe Leser, ich setze „Gewinn“ ganz bewusst in Anführungszeichen, denn natürlich kenne ich das Gegenargument. Der Staat, das seien wir alle, der Staat brauche gerade jetzt in der Krise finanziellen Bewegungsspielraum, denn schließlich muss praktisch von Jetzt auf Gleich die Energieversorgung des ganzen Landes umstrukturiert werden. Das wird teuer, keine Frage, aber trotzdem, noch einmal, gerade in Krisenzeiten ist der Staat in der Verantwortung, für soziale Abfederung zu sorgen. Die Tankstellenkasse kennt keine sozialen Unterschiede. Hier zahlt der Mehrfachjobber, der zwischen drei Minijobs – mit seinem Auto – hin und her pendelt, exakt dasselbe wie der Hochverdiener.

 

Ich betone nochmals, was ich am Dienstag bereits im Parlament sagte: Energie muss für ALLE bezahlbar sein! Sämtliche Steuern und Abgaben auf Energien, also auch auf Kraftstoff für unsere Autos, belasten aber einkommensschwache Haushalte in besonderem Maße und sind hochgradig unsozial! Deshalb fordere ich die deutsche Bundesregierung auf, von ihren Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die Kraftstoffpreise via Verzicht auf steuerliche Erträge aus den Preissteigerungen auf ein noch erträgliches Niveau abzusenken. Das ist problemlos und kurzfristig machbar.

Erstens sollte die Regierung die eingeführte und sich jährlich weiter erhöhende CO-Steuer auf Kraftstoff flugs wieder abschaffen.

Zweitens muss die Mehrwertsteuer auf Energien erheblich gesenkt werden!

Letzteres kann die Bundesregierung nicht ohne eine vorherige Entscheidung der EU-Kommission umsetzen, Öl und Gas in die Liste für ermäßigte Mehrwertsteuer aufzunehmen und zwar bis hin zu einem Nullsatz. Wenn man sieht, was dieser Tage in Brüssel alles kurzfristig entschieden werden kann, ist auch diese Übung eine vergleichsweise leichte, zumal alle EU-Staaten von den Preisexplosionen im Energiesektor betroffen sind!

Die Bundesregierung ist in dieser Lage in der Pflicht, die schweren wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Krise abzufedern, statt den Bürgern selbst auch noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen! Andere Regierungen machen es bereits vor und senken ganz selbstverständlich staatliche Abgaben im Bemühen, die eigenen Bürger zu beschützen.

DAS ist jetzt richtig, wichtig und nötig! Und nein, liebe Frau Staatssekretärin Katja Hessel von der FDP (!): Ihre Erklärung, „eine Senkung der Steuer würde Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels verlangsamen“ ist nicht die richtige Antwort auf solche Forderungen. Bei so viel Weltfremdheit, die aktuell auch von anderen Ampelvertretern zu hören ist, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wir selbst befinden uns in einer wirtschaftlichen Krise, die zunehmend existenziell für Menschen und Unternehmen wird. Die sozialen Folgen dessen zu bekämpfen und begrenzen muss nun politische Priorität haben.

Abschließend noch ein offenes Wort an all jene, die Forderungen nach Steuersenkungen für Energieprodukte ernsthaft als populistisch und unmoralisch meinen, verunglimpfen zu dürfen. Des Tonfalls: Wie kann man nur ernsthaft Sorge haben, die nächsten Tankfüllungen für den Weg zur Arbeit nicht mehr bezahlen zu können, während wenige hundert Kilometer entfernt Menschen sterben?

Solch völlig unangebrachte moralinsaure Vergleiche werden üblicherweise von Menschen vorgetragen, denen existentielle Sorgen der Bürger – höflich ausgedrückt – sehr fern und fremd sind. Musste nicht erst vor einiger Zeit Bundeskanzler Scholz (als er noch Kanzlerkandidat und noch nicht Kanzler war) in einem Interview eingestehen, die Spritpreise gar nicht zu kennen, weil er ja sowieso nie selbst tanke? Und damit dürfte er im Regierungsviertel in Berlin ganz gewiss kein Solitär sein.

Es geht aber nicht um diese Menschen unseres Landes. Und es geht natürlich, liebe Leser, auch nicht um mich, der ich noch selbst tanke und diese Preise bewusst erlebe. Natürlich tut auch mir das weh, aber ich kann das noch bezahlen. Sondern es geht hier um die vielen, inzwischen sogar sehr vielen Menschen, die die Preise für Kraftstoff und für das Beheizen ihrer Wohnungen eben kaum mehr bezahlen können. Denen droht, ihre Autos nicht mehr fahren zu können und ihre Wohnungen nicht mehr auf normale Raumtemperatur beheizen zu können. Und für die hat der Staat eine Verantwortung, der er gerecht werden muss und dies über Senkung der von ihm selbst erhobenen Abgaben auch gerecht werden kann.

 

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