Hände weg von unseren Eigenheimen!
Viel Kraftaufwand, viel Verzicht und oft viel eigenes Zupacken sind hierzulande für die meisten Menschen nötig, um sich Wohneigentum zu schaffen. Unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bildet Deutschland das Schlusslicht in der Wohneigentumsquote. Bei uns leben nur circa 42 Prozent der Haushalte in eigenen Wohnungen oder Häusern.
Warum? Nun, das scheint sehr klar zu sein. Weil es verdammt schwer und risikoreich ist, sich als Normalverdiener in dieses Abenteuer zu stürzen. Insbesondere Bauherren wissen, wovon ich rede. Und so mancher Mieter hat sich sehr bewusst gegen Eigentum entschieden, weil ihm dieser Dschungel zu wild und diese Dauerbelastung zu groß ist.
Wer sich dennoch für Eigentum entscheidet, nimmt die Mühen oft aufgrund einer langfristigen Vorsorgeidee auf sich. Nicht selten setzt der Normalverdiener dann alles auf diese eine „sichere“ Karte, steckt alles, was er vom Netto abzweigen kann, in sein kleines Häuschen. Das eigene Haus, das ist ein Notanker, ein Stück Lebenssicherheit. Und für viele ist es auch das kleine Stück Sicherheit, dass sie ihren Kindern – schuldenfrei – mit auf den Weg geben wollen. Fast immer jedoch ist es ein wichtiger Teil der eigenen Altersvorsorge.
ATTACKE AUF DASEINSVORSORGE
Solchen Hausbesitzern reißt die kürzliche Einigung des Rates der EU-Mitgliedsstaaten finanziell den Boden unter den Füßen weg, denn obwohl sie hinter den Wünschen der Kommission zurückbleibt, macht sie den Weg für Sanierungszwang auf nationaler Ebene frei. Auch für Mieter wird die Regelung, falls sie so vom Parlament bestätigt wird, folgenreich sein. Während der kleine private Immobilienbesitzer sich fragt, wie er das bezahlen soll, fragt sich der Vermieter, ob klein oder groß, wie er das umlegen soll.
Was wir in Medienberichten lesen, klingt zunächst gar nicht so dramatisch. Bestandsgebäude der EU sollen schrittweise ihre Energieeffizienzklasse verbessern. „Schrittweise“, das klingt fast nach „gemächlich“. Doch weit gefehlt. Selbstverständlich werden Zwischenziele festgelegt und selbstverständlich hat Deutschland mal wieder das Ziel, anderen voraus zu sein.
Der bisherige Stand nun: Bis zum Jahr 2033 sollen die Wohngebäude eines Mitgliedslandes durchschnittlich mindestens dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen. Werfen Sie mal einen Blick in Ihren Energieausweis und hoffen Sie, dass da kein G oder H steht. Allein durch Neubauten kann der Durchschnitt nämlich nicht erreicht werden. Deutschland hätte gern einen Sanierungszwang für jedes Bestandswohngebäude auf Stufe F bis 2033 auf EU-Ebene durchgesetzt, das misslang. Aber: Den Weg zum Durchschnitt D für alle Gebäude regeln die Länder selbst. Nationale Sanierungszwänge für alte Wohngebäude werden die Folge sein! Die Endstufe, Emissionsfreiheit für sämtliche Wohngebäude, soll dann 2050 erreicht werden.
FINANZIELLE ÜBERFORDERUNG
Sie kommen jetzt schon kaum klar? Die rasant gestiegenen Energiekosten für Haus und Mobilität drohen Ihnen schon jetzt das finanzielle Genick zu brechen? Mit Ihren monatlichen Abzahlungen fürs Haus sind Sie bereits am Leistungslimit und der Gedanke an die steigenden Zinsen raubt Ihnen schon jetzt den Schlaf? Sich noch weiter zu verschulden, ist eine Horrorvorstellung?
Da sind Sie nicht allein. Klar, je jünger Ihr Haus ist, desto mehr Zeit haben Sie noch und desto weniger werden Sie anpassen müssen. Angesichts einer Baukostensteigerung von 14 bis 17 Prozent im Jahr 2021 – Besserung ganz und gar nicht in Sicht – wird zunächst den Besitzern der Baujahre vor 2010 und besonders vor 2000 schwindelig. Vom Staat sind bestenfalls günstige weitere Kredite zu erwarten. Im Klartext heißt das: Man könnte auch unter Druck geraten zu verkaufen, zu einem schlechten Preis, versteht sich. Welch eine Axt wird da an konservative Vorsorgekonzepte gelegt werden!
Eine Absurdität: Bis 2050 soll jedes Wohngebäude emissionsfrei sein. Jedes! Welchen Sinn hätte es dann, in der Sanierung lediglich jeweils vorgeschriebene Stufen anzustreben? Sicher, manche Sanierungsschritte lassen sich auf Jahre verteilen, aber das geht nicht beliebig, und effektiv ist es auch nicht. Und wenn das Haus 2050 dann sowieso in der Topliga spielen soll, erscheint eine Komplettsanierung sinnvoller und letztlich kostengünstiger. Aber die Grundsatzfrage „Kann ich das überhaupt schaffen?“ stellt sich dann schon sehr bald.
Eine Anmerkung dazu: Unsere Regierungen seit 2009 haben es ja nicht einmal hinbekommen, den damals eingeführten Energieausweis bis heute so umzustrukturieren, dass die Ergebnisse tragfähig sind. Der Verband Haus und Grund hat in einem eigenen Test einmal Unterschiede von bis zu 46 Prozent festgestellt. Und nur ein unerfahrener Träumer vertraut auf das bunte Papierchen beim Hauskauf. Es ist zu befürchten, dass ein erzwungener Sanierungsboom auch ein riesiger Schummelboom wird, da die Ergebnisse schwer messbar sind.
MASSIVE MIETERHÖHUNGEN
Mieter werden ebenfalls stark betroffen sein. Denn auch Vermieter, große und kleine, sowie Wohnungsbaugesellschaften geraten unter Druck. Abstoßen, ausbluten oder investieren? Die Frage stellt sich. Investieren werden sie nur, wenn die Schutzregeln in puncto Mietanpassung geändert werden und saftige Mieterhöhungen möglich werden. Gesteht man ihnen das nicht zu, wird der Staat kaum gegen den entstehenden Wohnraumverlust anbauen können und die Verknappung treibt ebenfalls die Mieten hoch.
100-PROZENT-ZIEL UNERREICHBAR
Doch selbst wenn alle Eigentümer das Geld hätten, bestmöglich zu sanieren: Es KANN nicht jedes Haus zum Nullemissionshaus saniert werden. Das ist so voraussetzungsreich in mehrfacher Hinsicht (u.a. Standort, Substanz, Architektur), dass das Ziel völlig verträumt ist. Mal ganz abgesehen davon, dass die Definition von Nullemission extrem fragwürdig und ausschnitthaft ist und auch bei vorhandenen sogenannten Nullemissionsgebäuden nicht wirklich erreicht wird, ist diese offizielle Kategorie nicht für jedes Bestandsgebäude nachträglich erreichbar.
Hinzu kommt: Circa zwei Drittel aller Wohnhäuser Deutschlands wurden vor 1997 gebaut. Davon wiederum zwei Drittel haben die schlechtesten Energieklassen F, G oder H, müssen also relativ zeitnah energetisch saniert werden (ein Ziel, das die Bauministerin bereits im ersten Jahr krachend verfehlt, wie sie kürzlich kleinlaut einräumte). Ein immenses Bauvolumen. Mit ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampelkoalition außerdem angekündigt, jährlich 400.000 neue Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen, zu bauen. Noch mehr Bauvolumen. Ein extremer Bauboom müsste demnach mindestens das kommende Jahrzehnt prägen. In der Lage unseres Landes und bei der Rahmensetzung der Regierung spricht derzeit nichts dafür, dass es einen solchen in absehbarer Zeit geben könnte.
PERSONAL-KOMPETENZ-MATERIAL-MANGEL
Hinzu kommt: Handwerks- und Baufirmen suchen verzweifelt Personal. Schon für den konventionellen Bau ist das schwierig. Sanierungen, die dann auch noch auf grüne Technologie setzen, brauchen spezialisiertes Personal. Woher nehmen?
Und mit welchem Material sollen die eigentlich bauen? Der Baustoff-Fachhandel warnt vor Lieferengpässen. Der Bundesverband sendete im September bereits einen „Energie-Notruf“ der Baustoff-Branche an die Mitglieder des Bundestages. Sie warnen vor einem drohenden Knock-out der Baustoffwirtschaft. Der gravierende Engpass sei die Energie. Es müsse Schluss damit sein, „Energiewende-Ziele am grünen Tisch zu entwerfen – ohne darauf zu achten, was von den Ressourcen, Kapazitäten und finanziell überhaupt machbar ist.“
MIT AUGENMASS AUS DER KRISE
So ist es. Nicht erst seit der Bundestagswahl 2021, aber beschleunigt und verschärft seitdem, entfernt sich unsere Regierung immer weiter von der Lebenswirklichkeit der Menschen und von den notwendigen Grundlagen gesunden Wirtschaftens. Unser Land ist gerade so eben aus der Coronakrise getaumelt und nahezu nahtlos in eine existenzbedrohende Energiekrise gestürzt. Und nun wird, mitten in der unbewältigten Krise, auch noch die Axt an das mühsam erarbeitete kleine Stück Lebenssicherheit Haus und Wohnung gelegt. Und zwar von Akteuren, die stets das vermeintlich eigene Ziel der Klimarettung für alle möglichen Umstrukturierungen im Land in Anspruch nehmen und wirtschaftspolitisch irrlichtern. Sie selbst aber treten sogar EU-Vorgaben zur CO2-Reduktion vollkommen schambefreit mit Füßen. Wer so agiert, dem geht es nicht um Klimaschutz. Der benutzt Klimaschutz lediglich als Vehikel.
Wenn es stimmt, dass Gebäude ein Drittel der Treibhausgase in Europa verursachen und für 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich sind, ja, dann ist ein Gegensteuern selbstverständlich sinnvoll. Aber mit Augenmaß, ohne Weltenretter-Hybris, ohne Menschen ihre Existenzsicherung wegzuschlagen, ohne den Mietwohnungsmarkt noch prekärer zu machen und ohne Fantastereien bezüglich der Umsetzungschancen.
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