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Wumm-Wumm-Ampel: Wenn schon in die Rezession, dann mit Schwung

Nein, zum Meister seiner Muttersprache taugt Olaf Scholz wahrlich nicht: „Doppel-Wumms“, nun ja, das ist schon von fast ergreifender sprachlicher Schlichtheit. Aber darum soll es in meiner heutigen Kolumne natürlich nicht gehen. Die Inhalte des „Doppel-Wumms“ sind das, was von Interesse für uns alle ist. Und ob nun Einfach-Wumms oder Doppel-Wumms, was die Ampel da am Donnerstag im Austausch für Habecks glücklicherweise nun final gescheiterte Gasumlage aus dem Hut gezaubert hat – im Grunde ein 200-Milliarden-Euro-Schuldenpaket –, ist von einer guten Lösung sehr wahrscheinlich ebenfalls weit entfernt. Ein „großer Abwehrschirm“ soll jetzt also die hohen Energiepreise für die Verbraucher inklusive der Unternehmen erträglich machen.

Gaspreisbremse statt Gasumlage, welch eine Kehrtwende! Wie genau die Gaspreisbremse gestaltet sein soll, weiß man übrigens noch gar nicht. Eine konkrete Beurteilung der Maßnahmen ist daher noch nicht möglich. Eine Expertenkommission soll das kurzfristig klären. Na, da bin nicht nur ich wirklich gespannt. Nahezu einhellig warnen Wirtschaftsexperten, und zwar auch die im Umfeld der Regierung, seit Monaten vor derartigen Markteingriffen.

Was für den Verbraucher auf den ersten Blick so verführerisch klingt, hat nämlich das Zeug, uns noch tiefer in die bereits prognostizierte Rezession zu reiten. Ich hoffe wirklich inständig, dass die Expertenkommission die Beschlüsse so entschärft und ausgestaltet, dass dieses Risiko mindestens stark abgemildert wird.

Subventionierte Energiepreise, Gaspreisbremsen, solche Eingriffe setzen Fehlanreize, die die Preise in der Folge sogar steigen lassen. Klar, das fühlt sich erst einmal gut an, lässt sich auch politisch gut verkaufen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zeigt sich denn auch hocherfreut über dieses Geschenk 10 Tage vor der Landtagswahl.  Aber faktisch spricht alles dafür, dass ein solcher staatlicher Eingriff in den Preismechanismus den Markt erst recht eskalieren lässt. Mal abgesehen von der immer absurderen Schuldenbelastung, die wir künftigen Generationen hinterlassen werden, können die jetzigen Rettungsideen, um es „scholzisch“ auszudrücken, eine „Doppelwumm-Inflation“ und „Doppelwumm-Energiepreise“ nach sich ziehen.

Klar ist: Durch die seit Jahren vollkommen verfehlte Energiepolitik, die statt auf einen gesunden Energiemix zu vertrauen lieber auf noch unzureichende sogenannte Erneuerbare einerseits und auf vermeintlich sicheres russisches Gas andererseits setzte, sind wir nun in einem echten Notfallmodus. Selbst die besten Auswege werden uns deshalb volkswirtschaftlich weh tun. Aber die bestmögliche Notfallmedizin sollte doch verlässlich über den Berg helfen und nicht den nächsten Absturz einleiten, oder?

Zunächst und überaus wichtig: Es geht bei dieser Krise nicht nur um Gas, es geht auch um Strom und die gesamte Versorgung mit Energie. Eine Fokussierung allein auf die Gaspreisproblematik ist darum zu eng gedacht. Unser Problem ist, dass sowohl Strom als auch Gas für uns derzeit ausgesprochen knappe Güter sind. Gerade Deutschland bietet aktuell nahezu jede beliebige Summe, um den selbstverschuldeten Energiemangel auszugleichen. Damit heizen wir selbst die Preise an und zwar gewaltig. Beliebt machen wir uns dadurch übrigens auch nicht gerade innerhalb der EU, denn die von dem Versagen unserer Energiepolitik mit angefachten Preise wirken sich auch die anderen Länder sehr spürbar aus.

Was ist in dieser Lage zu tun?

Man muss nicht zwingend Ökonomie studiert haben obwohl das in der Position des Wirtschaftsministers sicherlich hilfreicher ist als das vorherige Verfassen von Kinderbüchern und ein Philosophiestudium , um festzustellen, dass wir angesichts der wegfallenden russischen Gaslieferungen in der Energieversorgung unseres Landes in einen riesengroßen Nachfrageüberhang geraten sind. Ein solcher wirkt, wie man sich unschwer vorstellen kann, unmittelbar und massiv preistreibend. Das ist das, was wir alle erleben, die Unternehmen wie die privaten Haushalte, mit allen schlimmen Folgen, die das nun einmal mit sich bringt.

Um die Ursache des Problems, sprich den Nachfrageüberhang, schnellstmöglich zu beseitigen, gibt es deswegen genau zwei Ansätze, die parallel verfolgt werden müssen. Zum einen eine Steigerung des Angebots an verfügbarer Energie, zum anderen soweit möglich eine Senkung der bestehenden Nachfrage.

Was die Angebotssteigerung anbelangt, heißt das sehr einfach: In dieser Notlage ist alles, was wir haben, ans Netz und in die Energieeinspeisung zu bringen. Selbst den größten Öko-Ideologen sollte inzwischen klargeworden sein, dass das neben Gaseinkäufen aus anderen Quellen (die den Ausfall des russischen Gases nur sehr partiell ersetzen können) auch heißt, Kernkraft, Öl und Kohle als Energiequellen zu nutzen (aus Gründen der klimapolitisch gewünschten Emissionsbegrenzung übrigens in dieser Reihenfolge der Priorität).

Was die Nachfragesenkung anbelangt, sind in einem entwickelten Industrieland wie dem unseren die Möglichkeiten dazu begrenzter, als die derzeitige Politik uns das mit ihren Appellen weiszumachen versucht. Waschlappen statt Dusche, Verzicht auf weihnachtliche Beleuchtung in den Städten und Dörfern, temporäre Schließung von diversen Freizeiteinrichtungen, all das ist angesichts der Dimension des Problems alles fast schon possierlich bemüht, wird das Problem aber ganz gewiss allein nicht lösen.

Im unternehmerischen Bereich, und zwar vom großen Unternehmen der Chemieindustrie bis zur kleinsten Bäckerei, sind die Einsparmöglichkeiten noch viel geringer ausgeprägt. Die Energie wird hier zur Produktion zwingend benötigt, und die Reduktion oder gar Einstellung der Produktion ist hier wie dort das letzte, was wir uns wünschen sollten.

Dennoch ist es natürlich richtig und von Bedeutung, wenn Haushalte wie Unternehmen in dieser Lage die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten zur Energieeinsparung auch entschlossen nutzen. Das tun sie angesichts der dramatischen Preisentwicklung aber sowieso, ohne dass es dazu wohlfeiler und zuweilen fast peinlicher Appelle aus der Politik bedürfte.

Bleibt die Frage, wie man den Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse die enormen und jetzt akuten Preissteigerungen nicht selbst zu schultern imstande sind, angemessen helfen kann. Wer nicht so komfortabel ausgestattet ist, um die überhöhten Preise aus eigener Kraft abzufedern, muss in dieser Lage schnell, unbürokratisch und wirklich ausreichend unterstützt werden, damit aus Sparen nicht Frieren – und angesichts einer Inflationsrate von derzeit erschütternden 10% eventuell sogar Hungern -wird.

Was sollte also stattdessen getan werden, denn ein Verzicht auf staatliche Hilfe in elementarer Notlage kann es nicht sein (und widerspräche auch dem Sozialstaatsprinzip der subsidiären Hilfe)?

Ich rate hier deshalb zu einem anderen Instrument, nämlich einer vor dem einbrechenden Winter – also sehr bald! – auszuzahlenden, einmaligen, spürbaren (mit 300 € pro Haushalt wird das bei weitem nicht getan sein) staatlichen Energieversorgungsbeihilfe für Haushalte, die so ausgestattet sein muss, dass sie allen Bürgern ermöglicht, die gestiegenen Energiekosten so weit tragen zu können, dass sies ohne frieren zu müssen über den nahenden Winter kommen können.

Damit diese staatliche Beihilfe keine größeren Mitnahmeeffekte bei jenen Bürgern erzeugt, die die Notlage kraft eigenen Einkommens ganz oder partiell selbst zu schultern imstande sind, sollte diese Beihilfe vollständig der Einkommensteuer unterliegen. Der positive soziale Effekt: Wer kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hat, behält dann also die vollständige Beihilfe. Mit steigendem Einkommen wird aufgrund des bestehenden progressiven Tarifs ein immer größerer prozentualer Anteil der zunächst für alle Haushalte (natürlich nach Personenzahl differenzierten) gleich hohen Beihilfe abgeschöpft. Dies übrigens, ohne dass dazu eine zusätzliche Bürokratie und hochkomplexe ergänzende Berechnungen für jeden Haushalt notwendig würden, denn die jährliche Steuererklärung fällt ja sowieso bereits für alle an.

Dies, liebe Leser, und nicht ein zerstörerischer Eingriff in den Preismechanismus, wäre das Instrument der Wahl in einem Staat, der am System der sozialen Marktwirtschaft, die die Quelle unseres relativen Wohlstands ist, festhalten möchte.

Ich kann nur hoffen, dass in der nun bald tagenden Expertenkommission für die konkrete Ausgestaltung des Scholz´schen „Doppel-Wumms“ genug Menschen mit klarem, nüchternem ökonomischen Verstand sitzen werden, die den Ansatz der Regierung auf den richtigen Weg führen. Meine Hoffnung auf eine vernünftige Lösung ist indessen bescheiden, denn im Begriff der Gaspreisbremse ist der Irrtum eines falschen Instrumenteneinsatzes in Form staatlicher Preisfestsetzung leider bereits angelegt. Möge es anders kommen. Der richtige Weg ist ein anderer.

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