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Wilder Aktionismus, mediale Habeck-Festspiele und Zeitenwendegerede

Keine Frage, es sind schlechte Zeiten, international wie national. Eine bedrohliche Nachricht jagt seit Wochen die nächste. Diese Woche war es besonders wild. Die Bundesnetzagentur warnte uns Bürger vor einer „Verdreifachung“ der Gaspreise. Auch von noch höheren Steigerungen ist die Rede. Die Gasspeicher werden, Stand heute, wohl nicht die Sollfüllstände erreichen. Das heißt, wir werden womöglich nicht über den Winter kommen mit dem zur Verfügung stehenden Gas. Gazprom lässt erkennen, dass es eventuell gar nichts mehr liefern wird. Es bleibt diffus, aber man muss sich schon aus Vorsicht auf sehr unerfreuliche Szenarien einstellen.
In dieser Woche kam dann noch die Nachricht der erreichten Euro-Dollar-Parität hinzu, ein seit den ersten Tagen des Euros nie wieder erreichter Niedrigstwert des Euro. Sprich, der Euro als unsere Währung hat gegenüber dem US-Dollar erheblich an Wert eingebüßt. Das ist Ausdruck der so mut- wie kraftlosen Geldpolitik der EZB, die für die Menschen im Euroraum weitere Folgen haben wird. Da zum Beispiel an den Weltmärkten für Rohöl in Dollar abgerechnet wird, wird in Folge der Abwertung des Euro dieses Gut wie etliche andere Importgüter auch teurer, was die Inflation noch weiter antreibt.
Bedingt durch meine akute, inzwischen bereits wieder abklingende Covid-Infektion, die ein eigenes normales Aktivitätsniveau völlig unmöglich machte, war ich in dieser Woche ein wenig auf das lediglich passive Konsumieren der mich erreichenden vielen Nachrichten zurückgeworfen. Ich hörte und las also all diese Nachrichten bzw. Aktualisierungen in dem Bemühen, den Stand der Dinge nicht aus den Augen zu verlieren. Es ergab sich dabei ein befremdliches Zusammentreffen zweier Welten, an dem ich Sie ein wenig teilhaben lassen möchte. Die vielen praktisch durchgängig negativen Nachrichten las ich nämlich, während ich mir gleichzeitig eine Videoaufzeichnung eines Podiumsinterviews der ZEIT mit Wirtschafts- und Energieminister Habeck ansah. „Die lange Nacht der ZEIT“ heißt das Format. Reality meets Framing, so könnte man diesen Parallelkonsum von Nachrichten und Habeck-Interview beschreiben.
Es war, wie praktisch immer, wenn sogenannte „Grüne“ hierzulande interviewt werden, ein freundliches, überaus wohlwollendes Interview, das Habeck viel Gelegenheit gab, sich positiv in Szene zu setzen. Verschiedene Themen aus seinem Geschäftsbereich wurden angesprochen. Geht man nach dem Applaus des Publikums, der geradezu begeistert und laut war, auch an Stellen, an denen Habeck überhaupt nichts Besonderes gesagt hatte, dann könnte man meinen, Habeck mache aus dem Giftcocktail der Realität eine Art Sex on the Beach-Cocktail. Wie ein Popstar wurde er dort bedacht, das übliche Spiel, egal wo „Grünen“-Politiker wie Habeck oder Baerbock auftauchen. Es hatte etwas Absurdes, geradezu Surreales. Auf dem einen Bildschirm sah ich die harte und tief besorgniserregende Nachrichtenrealität, auf dem anderen einen Habeck, der alles Übel mit warmem Hoffnungslicht softete, ohne aber auch nur im Ansatz irgendwelche tragfähigen Lösungen zu präsentieren oder wenigstens gedanklich zu entwickeln. Den Menschen dort schien das egal, sie dankten ihm offenbar seine bloße Anwesenheit.
Die Menschen, die Habeck so außerordentlich begeistert beklatschten, waren womöglich solche, die in Notlagen einfach auf die Regierung vertrauen und die Augen vor dem allgegenwärtigen Dilettantismus verschließen. Ein fundamentaler Irrtum, was Habeck betrifft (wie es überhaupt ein Fehler ist, dieser Bundesregierung irgendeine Art von Vertrauen zu schenken). Vertrauen in Habeck oder allgemein in die Regierung erschiene allein denkbar, wenn die gravierenden Probleme nicht nur benannt würden – das tut er anders als andere zu Teilen durchaus -, sondern wenn, was Aufgabe einer Bundesregierung ist, Wege zu Lösungen der Probleme aufgezeigt und konkret und ideologiefrei angegangen würden. Davon kann jedoch keine Rede sein, solange Habeck und die Regierung selbst das Problem noch in Teilen verdrängen und nicht verstehen, dass das bisherige Instrumentarium den Patienten nicht retten wird, sondern Instrumente hinzugezogen werden müssen, die Überwindung kosten und den bisherigen Kurs des vollkommen einseitigen Setzens auf sogenannte „erneuerbare Energien“, insbesondere Windkraftanlagen, zu verlassen verlangen. Habeck kann, solange er diesen Grundirrtum nicht einsieht, noch so engagiert und bemüht sein. Dieses Brett vorm Kopf, vor seinem und leider viel zu vielen anderen „Ampelnden“, wird dafür sorgen, dass wir nicht aus der Notlage herauskommen, sondern sogar immer tiefer in einen Abwärtsstrudel hineingeraten. Ich wiederhole mich: Klassisch grüne Energie ist EIN wichtiger Baustein, aber ohne weitere Energieformen, unter anderem Kernkraft, werden wir der Energieproblematik nicht Herr werden. Habeck sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass sogar ein erheblicher Teil der grünen Wähler inzwischen beim Thema Kernenergie umgeschwenkt ist.
Noch eine Nachricht ploppte auf, während Mariam Lau und Roman Pletter Habeck so überaus freundlich und wohlwollend befragten: der ARD-Deutschlandtrend. Laut ARD-Stimmungsbarometer ist offenbar trotz der aktuell dramatischen Energieversorgungslage gut die Hälfte der Bürger nicht bereit, den Klimaschutz angesichts der aktuellen Krisen und Herausforderungen vorübergehend als lediglich ein Problem von mehreren anzusehen und hier zum Ziel der Gewährleistung von Energieversorgungssicherheit temporäre Abstriche zu machen. Auch solche Leute dürften zu den Saalapplaudierern für Habeck gehört haben. Das muss man sich wirklich vor Augen halten: Nicht einmal für eine vorübergehende Zeit! Also tatsächlich dann lieber unsere Wirtschaft abstürzen lassen als vorübergehend klimaschädliche Energie nutzen? Kohle also auch noch weg, weil definitiv CO2-intensiv? Welche Träumer antworten denn bitte so? Es geht hier nicht um kurzfristiges Zähnezusammenbeißen. Die Verfügbarkeit bezahlbarer Energie ist das Lebenselixier unserer Industrie! Und ohne die ist unser verbliebener Wohlstand bald auch Vergangenheit. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Oder ist es diesen Menschen aus Dummheit und Ignoranz womöglich sogar egal, wenn hier alles den Bach heruntergeht?
Über gesellschaftliche Stimmung, wenn auch nicht durch Umfragen gestützt, sondern wohl eher aus seinem persönlichen Erleben heraus gespeist, hat Habeck übrigens auch beim Interview auf dem ZEIT-Podium gesprochen. Das Lebensgefühl habe sich sehr verändert und das habe diesem Land nicht geschadet. Es gebe eine ganz große Solidarität in unserem Land, irgendwie sei auch Europa stärker geworden und ein bisschen solidarischer. Stärker? Solidarischer? Schadet alles nicht? Alles gut? Kann es sein, dass Robert Habeck längst in einer pseudo-grünisierten Scheinwelt lebt, die vom realen Leben und den Nöten und Sorgen der ganz normalen Menschen komplett entkoppelt ist (ebenso, wie der konsumgüterpreisunkundige Kanzler Scholz, die weltreise- und ausgabefreudige Außenministerin Baerbock, der luxusfeierfreudige Finanzminister Lindner, der panikverbreitungsfreudige Gesundheitsminister Lauterbach und und und…)? Mit Ministereinkommen für sich und die Seinen lässt sich trefflich in eigens dafür geschaffenen TV-Formaten zu den Problemen der Zeit philosophieren und an seinen Popularitätswerten arbeiten. Aber was ist mit all den Menschen, die keinen finanziellen Puffer haben, um Mehrbelastungen abzufedern und die sich jetzt schon fragen, wie sie eigentlich über den Winter kommen sollen?, Die verzweifeln nämlich immer mehr, und die jubeln auch den Habecks dieses Landes keineswegs zu. Und die haben auch keinerlei Vertrauen in dessen Problemlösungskompetenz, so wenig wie in das der Bundesregierung im Ganzen. Die sehen, wie blank diese Regierung vor den Problemen unserer Zeit ist. Und, ich erwähne es hier nur, weil ich es wahrnehme, in denen wächst derzeit die Wut.
Habeck dagegen sieht ja offenbar gerade gern auch Gutes im Schlechten. Das mag psychologisch von Vorteil sein und daran liegen, dass er von Hause aus eben Philosoph und nicht nüchterner und auf unpathetischen Realismus geeichter Ökonom ist. Dann ist er allerdings in diesem Amt fehl am Platze. Denn auf nüchternen Pragmatismus kommt es in dieser Zeit mehr denn je an. Für ideologische Wünsch-Dir-was-Spielchen und realitätsferne Windrad-Vorgaben haben wir weder Platz noch Zeit in dieser entscheidenden Phase.
Der Verfall des Euro-Kurses ist ein weiteres deutliches Signal. Ich wünschte, man sähe sowohl bei der EZB als auch bei der Regierung, allen voran bei Habeck und Scholz, deutliche Signale. Signale, dass sie bereit und willens sind, das Notwendige und Richtige zu tun. Signale vor allem auch, die zeigen, dass unsere Regierung vollständig in der Realität der Menschen angekommen ist. Der Realität der Menschen, die jetzt schon Angst haben, im Winter tatsächlich frieren zu müssen oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren, weil der Arbeitgeber abwandert oder Konkurs anmelden muss. Die berechtigte Angst vor einem weiter ausufernden Anstieg der Inflation und damit einhergehend immer leereren Einkaufstaschen haben. Leider Fehlanzeige, bei der EZB wie auch der Bundesregierung. Die leben eher in der ganz eigenen Realität derer, die im Absturz Deutschlands eine Chance für neue Solidarität sehen.
Solange die Zuständigen aber keine realistische und nüchterne Lageeinschätzung zugrunde legen, werden sich die Probleme weiter verschärfen. Mit Mahnungen, doch bitte etwas Gas einzusparen (was natürlich jetzt richtig ist), mit allerlei verbalen Beruhigungspillen (die Krise auch als Chance sehen etc.) und mit medial sorgsam orchestrierten Habeckschen Charmeoffensiven den Eindruck zu vermitteln zu versuchen, man habe die Lage im Griff, wird das nichts. Garantiert!

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