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EU-Wahlrechtsreform: Verfassungsfeindlicher Demokratieabbau garniert mit Quotenquatsch

Lassen Sie uns alle zusammen hoffen, dass der neueste EU-Wahnsinn sich nicht durchsetzen wird!

Haben Sie es mitbekommen? Das Europäische Parlament (EP) hat am Dienstag – mit weniger als der Hälfte seiner Mitglieder, aber eben einer Mehrheit der anwesenden Abgeordneten; ich selbst habe natürlich mit Nein gestimmt – für massive Änderungen des Wahlrechts zu seiner künftigen Zusammensetzung gestimmt. Schädliche Änderungen. Unsinnige Änderungen.

Sofern die sich wirklich durchsetzen sollten, würde sich die EU erneut mit einem Riesenschritt von Bürgernähe und Demokratie entfernen. Mit der Ursprungsidee einer Gemeinschaft souveräner Nationalstaaten, die in demokratischen Wahlen ihre Ländervertreter ins Parlament schicken, hätte das immer weniger zu tun. Der Charakter der EU würde – über die bestehenden enormen Defizite hinaus – erneut enorm zum Schlechteren verändert. Für Deutschland würde sich mit dieser Wahlrechtsreform, sollte sie Rechtskraft erlangen, übrigens mehr als für die anderen Staaten ändern. Doch eins nach dem anderen …

Einer ganzen Reihe von Änderungen zur künftigen Wahl des EP wurde hier zugestimmt. Unkritisch daran ist allein ein Beschluss, nämlich dass künftig alle Länder am selben Tag wählen sollen, am 9. Mai. Dagegen ist nichts einzuwenden. Alle weiteren Änderungen aber haben es wirklich in sich.

Für kleinere deutsche Parteien ziemlich katastrophal ist exemplarisch die Forderung, künftig eine 3,5-Prozent-Hürde einzuziehen. Dazu muss man wissen: Dieser Beschluss würde sich ausschließlich in Deutschland auswirken! Eine ganze Reihe kleinerer Parteien säße heute nicht im Europäischen Parlament, wenn die 3,5-Prozenthürde schon bei der Europawahl 2019 gegolten hätte. Eine solche Hürde würde auf der Basis des Wahlergebnisses von 2019 fast 13 Prozentpunkte bedeuten, die sich dann auf andere größere Parteien verteilen. So entledigt man sich lästiger Konkurrenz und beschränkt die parlamentarischen Mandate auf ganz wenige größere und etablierte Parteien. Es geht hier um gezielte Wettbewerbsbeschränkung und das Schaffen einer nicht mehr zutreffenden Abbildung des tatsächlichen Wählerwillens zugunsten der größeren Parteien. Die wollen die Beute der bei der Wahl erlangbaren Mandate gern exklusiv unter sich aufteilen, darum geht es und um nichts anderes.

Für alle anderen Mitgliedsstaaten außer Deutschland wäre der Beschluss übrigens vollkommen belanglos. Die Neuerung soll nur für die Länder mit den meisten Einwohnern gelten. Ja, Sie haben richtig gehört, es wird nach Einwohnerzahl differenziert. Die Regelung soll nur für die bevölkerungsreichsten EU-Länder gelten, genauer gesagt für Deutschland, für Frankreich und für Italien. De facto allerdings wäre am Ende nur Deutschland betroffen, denn Frankreich und Italien haben bereits auf nationaler Ebene Hürden eingeführt.

Na sowas. Da beschließt das EU-Parlament eine Regelung sozusagen exklusiv für Deutschland? Was soll das und warum geschieht das? Wäre es nicht eher naheliegend gewesen, wenn Deutschland ebenfalls auf nationaler Ebene eine Hürde beschließt (wenn man sie denn wollte)? Ja, sicher wäre es das! Und genau das wurde in Deutschland auch bereits versucht. Aber der Plan scheiterte am Bundesverfassungsgericht! Das Verfassungsgericht vertrat – aus gutem Grund! – die Auffassung, dass es verfassungswidrig wäre, eine solche Hürde für die Europawahl einzuführen. `Wie kriegen wir das trotzdem hin?´ haben sich dann wohl die einschlägig interessierten Kreise gedacht. `Wie können wir am Verfassungsgericht vorbei dennoch eine Hürde zu unseren Gunsten durchdrücken?´

Na klar, wir versuchen einfach, es über EU-Recht durchzusetzen, denn wer es dann noch über eine nationale Verfassungsbeschwerde kippen will, muss ganz dicke Bretter bohren. `EU-Recht steht über nationalem Recht´, das wird dann einfach wieder als Allgemeinregel behauptet, und siehe da, schon traut sich da keiner mehr ran. Wenn sich die selbstherrlichen EU-Lenker da mal nicht täuschen. Die Polen haben den Kampf gegen diesen vermeintlichen Allgemeingrundsatz ja bereits eröffnet. Die Klärung wird spannend und könnte sich auch auf die Frage einer Prozenthürde auswirken.

Ein weiterer Beschluss des Parlaments lässt bereits durch die Wortwahl Böses ahnen: Es sollen künftig „transnationale Listen“ eingeführt werden. Was das ist? Nun, es soll eine zweite Liste eingeführt werden, eine zusätzliche Liste, deren Kandidaten nicht mehr von den nationalen Parteien bestimmt werden. Wer antreten darf, das wollen die großen europäischen Parteilager jeweils gern allein bestimmen. Von souveränen Entscheidungen der Nationalstaaten kann dann überhaupt keine Rede mehr sein. Für diese Sonderliste sollen 28 Extrasitze geschaffen werden (zu den bereits bestehenden 705 hinzukommend).

Was hier geplant und vom EP beschlossen wurde, ist nicht weniger als ein Demokratieskandal! Im Vorfeld der Abstimmung hatte ein Abgeordneter der EVP-Fraktion per Parlamentsmail mit deutlichen Worten davor gewarnt. Hier ein Auszug daraus:

„Es geht nur darum, dafür zu sorgen, dass einige Länder mehr Abgeordnete wählen als die Höchstgrenze, die die Verträge für ihre Nationalitäten vorsehen, und dass einige wenige Länder Kandidaten aus anderen Ländern als ihrem eigenen wählen.“

So ist es. Aber um den Wahnsinn zu komplettieren, ging der Beschluss noch weiter. Änderung drei: Die undemokratischen transnationalen Listen müssen strikt zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein. Das ist erneut undemokratisch.

Liebe Leser, ich habe zum Schluss aber einen Trost für Sie: Das Parlament kann beschließen, was es will. Die Änderungsvorschläge müssen aber noch von allen EU-Staaten bestätigt werden. Klappt das nicht, klappt´s auch nicht mit den Wahlrechtsänderungen. Und da dürfen wir durchaus hoffen, dass andere Regierungen ihre eigenen nationalen Interessen besser im Blick haben als unsere diesem gefährlichen Unfug garantiert zustimmende Ampel-Regierung, und dass sie auch weniger geneigt sind, einen weiteren Freifahrtschein für einen übergriffigen europäischen Superstaat auszustellen. Was überdies konservativ regierte Länder wie Ungarn oder Polen von Quotenregelungen halten, ist auch bekannt. Es besteht also noch begründete Hoffnung, dass dieses skandalöse Ansinnen verhindert werden kann.

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