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Bürgergeld neu denken!

Schaukampf erledigt, ab in den Bürgergeld-Vermittlungsausschuss. Alle geben sich zuversichtlich. Fast erleichtert wirken sie. Und wir ahnen: Jede Partei hat längst ihre Geschichte gestrickt, die sie selbst als treibende konstruktive Kraft darstellt, die mächtig viel für ihre Wähler im Ausschuss durchsetzen konnte oder andersherum, Schlimmeres verhindern konnte.

Machen Sie sich darauf gefasst: Die FDP hat eine gute Story nach ihrem Wahldesaster in Niedersachsen besonders nötig. Außerdem ist das katastrophale Bürgergeld-Konzept für sie politisch besonders schädlich. Für SPD und Grüne ist die großzügige Verteilung von Geld, das man nicht hat, ja traditionell Teil ihres politischen Geschäftsmodells. Wohl deshalb schreit die FDP, obwohl Teil der Ampel, schon im Vorfeld laut: Wir sind scheunentorweit offen für Kompromisse.   

UMSTIEG IN DEN ABSTIEG 

Sie alle haben die Diskussionen um bestimmte wesentliche Elemente des Bürgergeldes mitbekommen, sie sind ja derzeit täglicher fester Bestandteil medialer Befassung. Über die Erhöhung der Regelsätze besteht dabei Einvernehmen zwischen den Parteien, strittig sind die weitgehende Abschaffung von Sanktionen und die Höhe des sogenannten Schonvermögens. 

Das greift entschieden zu kurz: Denn mit ein bisschen Drehen an ein paar Stellschrauben des Konzepts von Bundesarbeitsminister Heil ist es keineswegs getan. Das geplante Bürgergeld ist in seinen Eckpunkten ein solcher volkswirtschaftlicher Wahnsinn, dass man damit das Eintreten der unweigerlichen negativen Folgen lediglich eine Weile hinauszögern könnte. 

Man muss sich einmal klarmachen: Wir haben aktuell in Deutschland etwa 1,8 Millionen offene Stellen. Etliche Güter und Dienstleistungen produzierende Unternehmen benötigen ganz dringend Arbeitskräfte. Überall fehlt arbeitsfähiges und -williges Personal. Und was macht die Regierung in dieser Lage? Sie will nun ein System installieren, bei dem schon jetzt im Vorgriff nicht wenige Zeitgenossen laut überlegen, ob sie dann nicht lieber auf das Arbeiten verzichten. Noch mehr unbesetzte Stellen, noch mehr infolge Personalmangels nicht erbringbare Wertschöpfung wären die logische Folge. Das ist – in einem Wort – irre! 

Aber aber, heißt es da von den rot-grünen Gesellschaftsklempnern, das ließe sich doch lösen. Sollen doch die Arbeitgeber einfach mehr Lohn zahlen, dann klappt´s auch mit den Arbeitskräften. Gerade, als ob Unternehmer das nach Lust und Laune entscheiden könnten. Wettbewerbsdruck, Kampf um Marktanteile, Kostendruck (sehr erheblich auch durch staatliche Regularien und Abgaben), das sind für diese Zauberlehrlinge aus dem rot-grünen Traumschloss keine Kategorien, davon verstehen sie etwa so viel wie der grüne Wirtschaftsminister Habeck von Insolvenzen, nämlich nichts. 

Aber aber, das passiert doch sowieso nicht, dass Menschen lieber Bürgergeld nehmen statt zu arbeiten, wird auch gern vorgebracht. Menschen wollen doch von sich aus arbeiten. … Aber klar doch. Liebe Ampelträumer, warum wurden im Jahr 2019, bevor die Möglichkeit gerichtlich eingeschränkt wurde, wohl fast 807.000 Sanktionen ausgesprochen? Weil die Menschen alle so gerne arbeiten wollen, das auch gern, wenn sie dabei nicht oder kaum mehr verdienen, als wenn sie es lassen? Träumt weiter! 

EINFALLSLOS

Der grundlegende Fehler der Bürgergeld-Pläne ist und bleibt: Das Konzept „Fördern und Fordern“, das das als Hartz IV bezeichnete Arbeitslosengeld II eigentlich prägen sollte, wird mit dem Bürgergeld faktisch abgeschafft. Dabei ist es als grundsätzlicher Ansatz vollkommen richtig. Schlecht ist nur tatsächlich zu nicht geringen Teilen die Umsetzung. Wer es frech und geübt drauf anlegt, kann es missbrauchen und wird nicht belangt, während mancher, der es wirklich nötig hat, zu kurz kommt. Und gerade Letztere sind zudem oft von Scham geplagt und empfinden die Darlegung von Bedürftigkeit als Erniedrigung. Die Idee, Fördern und Fordern noch einmal neu zu denken, ist deshalb gut und richtig. Verzichtet man indessen von vornherein auf den Bestandteil des Forderns, landet man faktisch in einer Art von bedingungslosem Grundeinkommen, das man hier freundlich klingend und beschönigend als „Bürgergeld“ bezeichnet. 

Der Fehler steckt also in der grundsätzlichen Neukonzeption, und er besteht darin, das Fordern zu streichen und die finanzielle Förderung komfortabler und weitgehend bedingungslos zu machen. Das ist falsch, das ist armselig, und das setzt natürlich Anreize zur Arbeitsvermeidung. 

Natürlich, da steht auch, es solle ganz viel Energie in die Qualifizierung der Arbeitslosen gesteckt werden. Das ist aber erstens nicht neu und zweitens haben die Arbeitsagenturen bereits überreichlich bewiesen, dass eine arbeitsmarktnahe Qualifizierung nun weiß Gott nicht zu ihren Stärken gehört. Nun soll auf einmal alles anders werden? Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass daraus nicht ansatzweise das Versprochene wird.     

GEFÄHRLICHER SYSTEMWECHSEL 

Was bleiben wird am Ende des Vermittlungsausschusses, ist ein gefährlicher Systemwechsel voller Ungerechtigkeiten gegenüber denen, die am unteren Ende der Lohnskala dennoch weiterhin arbeiten und denen kaum mehr zum Leben übrigbleibt als jenen, die sich entspannt dagegen entscheiden. Was bleiben wird, sind massive Fehlanreize, die absehbar von jenen genutzt werden, die sich nicht darum reißen zu arbeiten, und die es sich nun weit ungefährdeter in der Arbeitslosigkeit einrichten können, als das bisher der Fall war. Was schließlich auch bleiben wird, ist ein von diesem Gesetz ausgehender weiterer Pull-Faktor für gezielte Migration in unsere Sozialsysteme, der weitere Probleme aufwerfen wird. 

Am besten wäre es deshalb, den Gesetzentwurf zum Bürgergeld auch im Vermittlungsausschuss scheitern zu lassen und damit die Bundesregierung zur Vorlage eines neuen Ansatzes, der dem Grundsatz von „Fördern UND Fordern“ folgt zu zwingen. Leider dürfte es in den kommenden Tagen aber anders kommen.

 

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